Meleáger

Meleáger

MELEÁGER, gri, Gr. Μελέαγρος, ου, ( Tab. XXVI.)

1 §. Aeltern und Geburt. Insgemein wird er für einen Sohn des Oeneus, Königs zu Kalydon, und der Althäa angegeben: doch wollen auch einige, Mars selbst habe in eben der Nacht, als Oeneus, mit der Althäa zu thun gehabt, und Meleager sey also eigentlich desselben Sohn. Apollod. l. I. c. 8. §. 2. Hygin. Fab. 171. Heins. ad Ovid. Met VIII. 541. Als er aber kaum gebohren, Hygin. l. c. oder doch nur sieben Tage alt war, Apollod. l. c. so ließen sich die Parcen vor der Althäa sehen, und bestimmeten ihm seine Schicksale. Klotho sagte, er solle großmüthig werden, Lachesis, er solle tapfer wer den, Atropos aber, er solle so lange leben, als der Brand nicht werde verzehret werden, der sich damals auf dem Heerde befand. So bald die Parcen wieder verschwanden, nahm Althäa diesen Brand und hob ihn sorgfältig in einem Kasten auf, oder vergrub ihn, nach andern, in dem Hofe ihres Schlosses. Hygin. l. c.

2 §. Thaten. Er gieng unter den Argonauten mit nach Kolchis. Hygin. Fab. 14. p. 41. & Apollon. l. I. v. 191. Doch ist er damals noch sehr jung gewesen und hatte den Laokoon zum Hofmeister bey sich. Apollon l. III. 518. Burm. Cat. Argon. In den vom Akastus angestelleten Leichenspielen erhielt er den Preis mit dem Wurfspieße. Id. Fab. 273. Als aber nachher Diana dem Oeneus das kalydonische wilde Schwein in das Land schickte, so brachte er den Kern der jungen Helden aus Griechenlande zusammen, und griff solches mit ihnen an. Er erlegete es auch endlich selbst. Weil er nun die Haut desselben, als den vornehmsten Preis bekam: so schenkete er solche der Atalanta wieder, welche dem Eber die erste Wunde beygebracht hatte, von ihm aber heimlich geliebet wurde. Dieses verdroß insonderheit seiner Mutter Brüder, den Ideus, Pierippus und Lynkeus. Sie passeten also der Atalanta auf ihrem Heimwege in Arkadien auf, und nahmen ihr solche Haut mit Gewalt wieder ab. Weil aber Meleager dieses für eine Beleidigung ansah, so ermahnete er seine Vettern, der Atalanta die Haut wieder zu geben; und, da solches nichts half, so machte er sie endlich alle drey nieder, und stellete der Atalanta darauf die Haut wieder zu Diod. Sic. l. IV. c. 34. p. 167. Apollod. l. I. c. 8. §. 2. Hygin. Fab. 173. & Ovid. Met. IX. v. 270.

3 §. Gemahlinn und Kinder. Seine Gemahlinn war Kleopatra, des Idas und der Marpessa Tochter. Apollod. l. I. c. 8. §. 2. Er bekam von ihr eine Tochter, Polydora, die das Schicksal ihrer Mutter und Großmutter hatte. Pausan. Messen. c. 2. p. 219. Jedoch zeugete er auch mit der besagten Atalanta den Parthenopäus. Hygin. Fab. 99. & 270. Dieses aber wird von einigen in Zweifel gezogen. Muncker. ad Hygin. l. c.

4 §. Tod. Wie seine Mutter vernahm, daß er ihre Bruder, um der Atalanta Willen, hingerichtet, so ließ sie sich von Zorn und Rache dergestalt hinreißen, daß sie oberwähnten Brand nahm, ins Feuer legete, und von der Flamme verzehren ließ, da denn Meleager unter den größten Schmerzen hinstarb. Apollod. l. I. c. 8. §. 3. Diod. Sic. l. IV. c. 34. p. 167. Phrynich. ap. Pausan. Phoc. 31. p. 669. Andere hingegen wollen, Althäa habe ihn nur aufs heftigste verwünschet und verfluchet, welches denn die Götter erhoret, und ihn also sterben lassen. Diod. Sic. l. c. Noch andere wollen, als sich zwischen den Kureten und Kalydoniern wegen des Kopfes und der Haut des erlegeten wilden Schweines ein Krieg erhoben, so habe er einige von des Thestius Söhnen mit hingerichtet. Da ihm nun Althäa deshalber alles Böse angewünscht, so habe er sich alles fernern Gefechts enthalten. Darauf sey der Feind der Stadt Kalydon so nahe gekommen, daß ihn seine Gemahlinn flehentlich ersuchet, sich derselben wieder anzunehmen. Er habe es gethan, sey aber nicht dafür belohnet worden. Hom. Il. Ι. 543. Nach einigen blieb er im Gefechte mit, Apollod. l. c. Cf. Nicand. ap. Ant. Liberal. c. 2. Cr Mezir. sur les epitr. d'Ovide: T. I. p. 275. sqq. und zwar soll ihn Apollo selbst in solchem erschossen haben. Auctor Eoearum magnar. ap. Paus. l. c.

5 §. Erfolg. Wie seine Mutter sah, was sie angerichtet hatte, so ergriff sie aus Verzweifelung einen Strick und erhieng sich. Diod. Sic. l. IV. c. 34. p. 167. Ein gleiches that auch seine Gemahlinn Kleopatra. Apollod. l. I. c. 8. §. 3. Jedoch wollen auch einige, Althäa habe sich nicht so wohl erhängt, als erstochen, Ovid. Heroid. Ep. IX. v. 157. die Gemahlinn aber sey vor Betrübniß gestorben. Hygin. Fab. 174. Seine Schwestern, die Gorge und Deianira ausgenommen, wurden wegen ihres Wehklagens um ihn in Vögel verwandelt. Sieh Meleagrides. Nicand. ap. Ant. Liberal. c. 2. Ovid. Met. VIII. v. 534.

6 §. Bildung. Man hat noch zwo vortreffliche Bildsäulen aus dem Alterthume, die ihn vorstellen. Die eine zeiget ihn mit einem auf der rechten Schulter fest gehefteten Mantel, der sich um seinen linken Arm schlingt; sonst ist er ganz nackend. Unter diesem Arme liegt der Eberskopf, auf dem er die Hand gehabt zu haben scheint, die aber fehlet; die rechte hat er auf dem Rücken liegen und an derselben Seite sitzt sein Hund. Maffei Raccolta distatue, n. 141. In der andern ist er ganz nackend und steht mit übereinander geschlagenen Beinen, wobey er seinen Hund hinter sich mit dem Kopfe an seiner rechten Seite sitzen hat. In der rechten Hand, die er auf der Hüfte liegen hat, hälts er ein wie die Schlangen im Gehen gekrümmtes Horn; und in der linken, die über dem auf einem Baumsturze liegenden Eberskopfe hängt, einen Stab, welcher der Schaft eines Spießes seyn kann. Montfauc. Supplem aux Ant T. I. pl. 44. Man will auch seinen Kopf auf verschiedenen Gemmen wahrnehmen, welchen man an dem kurzen und schönen krausen Haare und an der etwas ernsthaften Mine bey einem sonst feinen Gesichte kennen will Cori ad Mus. Flor. T. I. t. 32. p. 70. Borioni Collect. ant. t. 54. p. 38. Außerdem findet sich seine ganze Geschichte, sowohl die mit dem Feuerbrande, als sein dadurch veranlaßter Tod, die Jagd und Erlegung des kalydonischen Schweines, die Verschenkung des Kopfes und der Haut, die Verwandlung seiner Schwestern in Vögel u.s.w. auf verschiedenen alten Denkmaalen noch erhalten. Begeri Meleagrides & Aetolia. 4. Col. Brand. 1096. Auch die mehr historische Nachricht von dem Kriege der Kureten wider Kalydon, worinnen ihn seine Anverwandten und Gemahlinn ersuchen, dieselben wieder zurück zu treiben, und seinen Tod in diesem Treffen hat man noch auf einem Paar Denkmaalen vorgestellet zu seyn geglaubet. Winkelm. Monum. antichi. 87. & 88. p. 116.

7 §. Eigentliche Historie. Daß er ein tapferer Prinz zu Kalydon gewesen, kann wahr seyn, so wie die Erzählung, daß es ein kalydonisches Schwein gegeben, welches er überwunden. Sieh Calydonius aper. Die Begebenheit mit dem Brande aber deuten einige auf Gift, oder auf eine besondere Art der Zauberey, womit ihn Althäa hingerichtet, indem sie dessen Bild von Wachs, oder dergleichen Materie gemacht und am Feuer zerschmelzen lassen, wodurch er denn so wie dasselbe, unter der größten Pein vergehen müssen, wofern solches möglich ist. Banier Entret. XV. ou P. II. p. 131. Cf. Farnab. ad Ov. Met. VIII. v. 522.

8 §. Anderweitige Deutung. Diese Historie soll insonderheit mit beweisen, von was für Wirkung einer Mutter Fluch und Verwünschung seyn können; hiernächst aber auch darthun, daß Gott deren Leben hinwiederum abkürze, welche andere desselben berauben. Omeis Mythol in Meleager, p. 152.


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