- Cádmvs
CÁDMVS, i, Gr. Κάδμος, ου, (⇒ Tab. XXII.)
1 §. Namen. Dieser kömmt von dem phönicischen Cadam. der Morgen, her, Voss. Etymol. in Cadmea, s. p. 101. und ist also nicht so wohl der eigentliche Namen einer Person, als daß er deren Vaterland bemerket, und also einen bedeutet, der aus dem Morgenlande, oder auch insonderheit von den Kadmonim, Gen. XV. 19.& Bochart. Chan. lib. I. c. 19. einem besondern Volke, das in der deutschen Bibel die Kadmoniter genannt wird, hergekommen. Jedoch wollen auch einige, daß solches Cadmus so viel, als einen Führer, Banier Entret. XIII. ou P. II. p. 31. Eben dess. Erl. der Götterl. IV. B. 284 S. oder einen Feldherrn bedeuten soll. Chevreau Hist. du Monde lib. I. c. 6.
2 §. Aeltern. Sein Vater war Agenor, Neptuns und der Libye Sohn, König in Phönicien, die Mutter aber Telephassa, Apollod. lib. III. c. 1. §. 1. oder, nach andern, Damno, oder Argiope, Schol. Apollon. adlib. III. v. 1185. & Hygin. Fab. 179. oder auch, wie sie noch andere nennen, Antiope; Schol. Eurip. ap. Gal. l. c. wiewohl doch auch einige ihm die Ehre eines königlichen Prinzen absprechen, und ihn nur zu einem Bedienten, und zwar zu einem Koche des Königs in Sidon, Euhemer. ap. Athen. L. XIV. c. 22. oder auch zu einem syrophönicischen Kaufmanne machen. Lucian. ap. Marsh. Sæc. IX. p. 124.
3 §. Thaten und Schicksal. Als Jupiter seine Schwester, die Europa geraubet hatte, so wurde er nebst seinen Brüdern, dem Phönix und Cilix, von seinem Vater abgeschickt, mit dem Befehle, sie entweder wieder mit zurück zu bringen, oder auch selbst nicht wieder zu kommen. Apollod. lib. III. c. 1. §. 1. Er gieng also mit seiner Mutter und einem Theile Phönicier zu Schiffe, und, indem er bey der Insel Rhodus von einem heftigen Sturme befallen wurde, so gelobete er dem Neptun für seine Erhaltung einen Tempel, welchen er ihm auch in besagter Insel erbauete, und dessen Dienst einigen seiner zurück gelassenen Leuten anbefahl. Diod. Sicul. lib. V. c. 58. p. 227. Als er sich von dar wieder auf die Fahrt gemacht, so kam er endlich bis in Thracien, Apollod. l. c. woselbst die Telephassa starb; und, da er nirgends etwas von der Europa erfahren konnte, so begab er sich endlich nach Delphis, das Orakel ihrentwegen zu fragen. Allein, es antwortete ihm Apollo: Er sollte nach der Europa nicht fragen, wohl aber der Kuh, die ihm den Weg weisen würde, folgen, und, wo dieselbe sich vor Müdigkeit niederlegen werde, eine Stadt erbauen. Er gieng also durch die Landschaft der Phocenser; und, da eine Kuh von des Pelagons Heerde vor ihm hergieng, so folgete er ihr bis in Böotien, woselbst sie sich niederlegete, und ihm also nach dem Orakel den Ort anwies, wo er die neue Stadt hinbauen sollte. Indem er aber solche Kuh der Pallas opfern wollte, und daher einen der Seinigen absandte, aus des Mars Brunnen Wasser zu holen, so verzehrete solchen ein ungeheurer Drache; und, da solches andern mehr begegnete, so machte er sich selbst dahin, und erlegete endlich den Drachen, dessen Zähne er denn auf der Minerva Rath säete, worauf dafür lauter gewaffnete Leute aus der Erde empor stiegen, die aber auch gar bald wieder in einander geriethen, und sich insgesammt bis auf fünfe, nämlich den Echion, Udäus, Chthonius, Hyperenor und Pelor aufrieben. Dagegen mußte er selbst wegen des umgebrachten Drachens, der des Mars Sohn hieß, diesem ein Jahr lang, welches aber damals aus acht gemeinen Jahren bestund, als ein Knecht dienen. Apollon. lib. III. v. 1178. & ad eum Schol. l. c. item Apollodor. lib. III. c. 4. §. 1. 2. & Ovid. Metam. l. III. 10. Einige wollen, er habe solche Kuh von des Pelagons Hirten kaufen, und sie vor sich hintreiben müssen, Pausan. Bæot. c. 12. p. 559. und der Drache habe sich bey dem castalischen Brunnen aufgehalten. Hygin. Fab. 178. Er soll auch Böotien von dieser Kuh, ἀπὸ τοῦ βοὸς, benannt haben, wiewohl er ihm solchen Namen vielmehr von der Beschaffenheit seines Erdreiches, welches mit Schlamme und Morästen bedecket war, beygeleget hat. Bochart. Chan. L. I. c. 23. Allein, noch andere melden, daß er sich dasiger Gegend mit Gewalt bemächtiget, und die Hyanten, die sie mit den Aonen damals bewohneten, in öffentlicher Schlacht überwunden und folglich das Land zu räumen gezwungen habe, wogegen die Aonen gute Worte gegeben, und also auf dem Lande in ihren Dörfern gelassen worden. Immittelst habe er zu seiner Sicherheit den Ort und die Festung Kadmea erbauet; und, da sich mit der Zeit immer mehr und mehr Leute da eingefunden, so, daß auch die niedrigere Gegend um solchen Ort bebauet worden, sey endlich die Stadt Theben daher erwachsen, welcher die erwähnte Festung statt eines Schlosses gedienet. Pausan. Bœot. c. 5. Er soll auch zuerst die Buchstaben, und also die Kunst zu schreiben nach Griechenland gebracht haben, Herodot. L. V. Sect. 58. Tacit. Annal. XI. c. 14. & Plin. H. N. lib. VII. c. 56. Hygin. Fab. 277. welches jedoch nur nach einigen ein neues Alphabet gewesen seyn soll, dessen sich die Griechen nachher anstatt des pelasgischen bedieneten, welches lange vorher bey ihnen gebräuchlich gewesen. Ban. Erl. der Götterl. IV B. 285 S. Dabey wird er für den Urheber der Verehrung des Bacchus, oder vielmehr des Osiris, für welchen er seinen Enkel wollte gehalten wissen, in solchem Lande, Diod. Sic. Lib. I. p. 14. Marsham. Can. Chron. Sæc. IX. p. 124. & Budd. Hist. V. T. Per. II. Sect. 2. p. 997. und für den Erfinder der Kunst, die Metalle zu schmelzen, angegeben, als welche er zuerst an dem Berge Pangäus in Thracien ausgeübet, Plin. H. N. l. VII. c. 56. und nachher auch zu Theben bekannt gemacht hat. Hygin. Fab. 274. Indessen, so glücklich und herrlich der Anfang seiner Regierung war, indem ihm nicht nur Minerva selbst seine Residenz zu Rechte machte, sondern auch Jupiter die Harmonia, seine und der Elektra, oder der Venus und des Mars Tochter, zur Gemahlinn gab, da denn bey ihrem Beylager alle Götter zugegen waren, und die Braut beschenketen, Apollod. l. c. §. 2. Diod. Sic. L. V. p. 223. Apollo und die Musen aber die Musik dabey machten; Nat. Com. lib. IX. c. 14. so unglücklich wurde nachher derselbe. Er verließ endlich Theben gar, und begab sich mit seiner Gemahlinn zu den Encheliern, woselbst sie ihre Wohnung am Flusse Drilo aufschlugen. Metrodorus ap. eumd. l. c. Da nun die Encheller von den Illyriern mit Krieg überzogen wurden, so gab ihnen das Orakel zu verstehen, sie würden den Sieg erhalten, wenn sie sich den Kadmus zu ihrem Heerführer erkieseten. Sie thaten solches, und überwanden auch ihre Feinde glücklich, Kadmus aber wurde wiederum König in Illyrien; allein auch bald darauf, nebst der Harmonia, in ein Paar Schlangen verwandelt, und also von dem Jupiter in die elysischen Felder versetzet; Apollodor. l. c. c. 5. §. 4. Dionys: Perieget. v. 387. & Nicander ap. Nat. Com. l. c. Jedoch wollen andere, daß sie nicht in Schlangen, sondern in Löwen verwandelt worden. Ptolem. Hephæst. lib. I. p. 306. Einige behaupten, sein Vorgeben, die entführete Europa zu suchen, sey nur erdichtet, und seine wahre Absicht sogleich gewesen, einen Ort zu seinem Bleiben in Europa auszufinden: er sey daher auch zuerst von den Böotiern geschlagen worden, habe sich aber doch hernach durch seine List und Ränke gegen sie behauptet, und sie endlich gar glaubend gemacht, als ob er mit den Seinigen gar aus der Erde entsprungen sey. Conon. Narrat. 37. Die Ursache, warum er von Theben weggegangen, soll nach einigen das viele Unglück seyn, welches er an seinen Kindern und Enkeln erlebete; Ovid. Metam. IV. v. 563. andere wollen, daß er den Linus daselbst umgebracht, und die dritten, daß ihn Amphion und Zethus gezwungen, sich von dar hinweg zu machen. Farnah. ad Ovid. l. c. Jedoch soll er auch, nach wieder andern, die Herrschaft zu Theben seinem Sohne, dem Polidor, Pausan. l. c. oder, wie einige sagen, seinem Enkel von der Agave, Pentheus, Apollod. L. III. c. 5. §. 2. überlassen haben. Daß er aber endlich insonderheit in einen Drachen, oder in eine Schlange verwandelt worden, soll noch um des umgebrachten oben erwähnten Drachens willen geschehen seyn. Ovid. l. c. v. 570.
4 §. Familie. Seine Gemahlinn war, wie gedacht, Harmonia, Apollod. lib. III. c. 4. §. 2. oder wie sie auch genennet wird, Hermione, Schol. Horat. ap. Munck. ad Hygin. Fab. 6. und er zeugete mit ihr den Polydorus, der ihm mit der Zeit im Reiche folgete, Apollod. l. c. & c. 5. §. 5. ferner die Semele, mit welcher Jupiter den Bacchus zeugete, sie aber hernach auch selbst mit seinem Blitze verbrannte; Id. l. c. c. 4. §. 3. die Ino, welche Adamas heurathete, sie aber in seiner Raserey auch zwang, sich selbst mit ihrem noch übrigen Sohne, dem Melicerta, ins Meer zu stürzen, Id. ib. die Autonoe, welche Aristäus zur Gemahlinn nahm, und mit ihr den Aktäon zeugete, welchen endlich seine eigenen Hunde zerrissen; Id. ib. §. 4. die Agave, eine Gemahlinn des Echions, die aber in der Raserey ihren eigenen Sohn, den Pentheus, zerrissen, Id. ib. c. 5. §. 2. und endlich noch den Illyrius, den er aber auch erst bekam, als er sich schon von dem ihm so unglücklichen Theben hinweg gemachet hatte. Id. ib. §. 4. Das außerordentliche Unglück dieser Familie soll von der Eifersucht der Juno herrühren, weil Jupiter erst des Kadmus Schwester, und hernach auch dessen Tochter geliebet. Ovid. Metam. III. 256.
5 §. Wahre Historie. Insgemein zwar wird er für einen Phönicier angegeben; Pausan. Bœot. c. 12. jedoch wollen auch einige mit aller Macht einen Aegypter aus ihm machen. Marsham. Canon. Chron. Sæc. IX. p. 121. Beyde können in so fern Recht haben, daß er sich aus Aegypten, als woselbst wenigstens sein Vater geboren worden, mit diesem erst nach Phönicien gewendet haben kann. Euseb. Chron. ad A.M. 3743. p. 25. & Schol. Pindar. ap. Calvis. ad A.M. 2509. Da er nun auch ein Phönicier gewesen, so wird wiederum in Zweifel gezogen, ob er ein Prinz, oder nur ein Bedienter des Agenors gewesen, wie bereits oben gedacht worden. Wenigstens scheinen diejenigen keine Freunde der Thebaner gewesen zu seyn, welche ihn nur für einen Koch des besagten Königes ausgeben, welcher sich in eine Sängerinn desselben verliebt, und solche endlich entführet habe, Euemer. ap. Athenæ. L. XIV. c. 22. Dagegen wollen andere, er habe um der Israeliten wegen fliehen müssen. Abel Hist. Monarch. lib. II. c. 1. §. 17. Die Erlegung des kastalischen Drachen deuten einige auf den König zu Theben, der Drakon geheißen, und von dem Kadmus erleget worden, die geheimnißvollen Zähne desselben aber wären seine Unterthanen gewesen, die sich nach seiner Niederlage wieder vereiniget, jedoch durch des Kadmus List einander selbst aufgerieben hätten; Palæphat. c. 6. andere aber verstehen allerdings ein dergleichen Ungeziefer, welches das Land um sich ganz ödegemacht habe. Als es nun Kadmus erleget, so habe er auch die zerstreueten Leute wieder zusammen gebracht, die aber wegen ihrer Wildheit gar bald in Händel mit einander gerathen, und sich folglich unter einander aufgerieben, welches denn also die Sparti, oder die aus den gesäeten Drachenzähnen entstandenen Menschen gewesen seyn sollen. Heraclit. de incredib. c. 19. Das Wahrscheinlichste aber ist wohl, daß Zähne einer Schlange im Phönicischen auch mit Erze beschlagene Wurfspieße bedeutet habe, und daß Kadmus ein Heer von dergleichen bewaffneten Leuten aus den Landeseinwohnern errichtet habe. Bochart. Chan. L. I. c. 19. Daß er endlich mit seiner Gemahlinn in eine Schlange soll seyn verwandelt worden, soll darauf gehen, daß er sich nach seiner Flucht von Theben sehr verborgen gehalten, oder auch, weil er seinen Ursprung von den Hevitern oder Heväern gehabt, welche den Namen von den Schlangen bekommen, weil sie, wie diese, in den Höhlen der Erde gewohnet. Bochart. loc. cit. Baniers Erl. der Götterl. IV. B. 282 S. Indessen setzen einige seine Zeit auf die Zeiten der ersten Richter, Petav. Rat. Temp. P. I. lib. I. c. 9. und andere die Erbauung der Stadt von ihm insonderheit auf das Jahr der Welt 2520. Calvis. ad A.M. 2520.
6 §. Anderweitige Deutung. Weil er erstlich seinem Vater in Aufsuchung der Europa, sodann aber auch dem Apollo und der Pallas gehorsamet, so soll er nach vieler Arbeit und Dämpfung der Affecten endlich die schöne Harmonia, oder die Gelassenheit und Ruhe der Seelen erlanget haben, mit der er aber endlich auch in eine Schlange verwandelt worden, das ist eine große Weisheit durch seine Erfahrung und Geduld erlanget habe. Omeis Mythol. in Cadmus s. p. 65. Wenn aber auch von seinem Siege über die Sparter das Sprichwort Cadmeia Victoria, Gr. Καδμεία νίκη, entstanden, soll es einen Sieg bemerken, dessen sich der Obsieger nicht sehr zu erfreuen hat, weil Kadmus durch den Amphion und Zethus wiederum von Theben vertrieben worden. Masen. Spec. ver. occ. c. XXII. n. 16. Allein, andere verstehen solches Sprüchwort bald von den Thebanern, die zwar wider die vereinigten Fürsten gesieget, allein auch hernach wieder von den Epigonen überwunden worden; bald von dem Oedipus, der zwar das Räthsel des Sphinx errathen, allein dafür seine Mutter, zu seinem Verderben zum Preise erhalten; bald von dem Eteokles und Polynices, welche beyde in einem Zweykampfe blieben. Suid. in Καδμεία νίκη, s. Tom. II. p. 217. Also sollen die gewaffneten Leute, die aus den gesäeten Zähnen des erlegten Drachen entstanden, die Gelehrten seyn, welche von den Buchstaben, die er mit nach Griechenland gebracht, hergekommen, allein aus Neid gegen einander auch ihren Krieg mit einander angefangen, und darinnen jederzeit theils redlich, theils nur aus Affecten gefochten haben. Alciat. ap. Masen. l. c. c. XL. n. 18.
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