- Cyclópes
CYCLÓPES, um, Gr. Κύκλωπες, ων, (⇒ Tab. II.)
1 §. Namen. Diesen sollen die Cyklopen von κύκλος, Zirkel uno ὢψ, Auge, bekommen haben, weil sie ein einiges großes rundes Auge, als einen Zirkel, mitten auf der Stirn hatten; Hesiod. Theog. v. 144. cf. Voss. Etymol. in Cocles s. p. 169. Allein andere leiten ihn, nach ihrer Art, lieber aus dem Phönicischen her, und zwar von Chek. Lelub, welches so viel, als Leute des lilybäischen Meerbusens heißen soll, daß dieser Namen also nur die ältesten Einwohner Siciliens bemerke. Bochart. Chan. lib. I. c. 30. & Cleric. ad Hesiod. l. c. v. 139.
2 §. Herkommen. Sie werden für Söhne des Himmels und der Erde angegeben. Hesiod. Theog. v. 139. Apollod. lib. I. c. 1. §. 2. Andere machen sie zu Söhnen des Neptuns, Euripides ap. Nat. Com. lib. IX. c. 8. p. 973. oder Polyphems, Idem ibid. p. 974. Wie man aber wenigstens drey Arten solcher Cyklopen bemerket, so darf man sich nicht wundern, wenn sie ganz unterschiedene Aeltern gehabt haben.
3 §. Anzahl und besondere Namen. Insgemein werden ihrer drey gezählet, nämlich Arges, Brontes und Steropes, Hesiod. Theog. v. 140. von welchen aber doch andere für den Arges den Harpes, Apollod. lib. I. c. 1. §. 2. und noch andere für beyde den Pyrakmon nennen. Virgil. Aen. VIII. v. 425. Einige setzen ihre Zahl bis auf sieben, Strabo L. VIII. p. 373. Andere vergrößern sie bis auf hundert. Eustath. ad Hom. & ad Il. Β. v. 559. Unter diesen soll Polyphemus der vornehmste gewesen seyn. Nat. Com. lib. IX. c. 8.
4 §. Wesen, Verrichtungen und Schicksal. Sie waren ungeheure Riesen, von denen Polyphem auf die 200 Fuß lang gewesen, und einen Stab in den Händen gehabt haben soll, der den größten Mastbaum irgend eines Schiffes übertroffen. Luc. ap. Farnab. ad Ovid. Metam. XIII. v. 783. Hierbey hatten sie, nach der gemeinsten Sage, ein einziges großes rundes Auge mitten auf der Stirne: doch geben ihnen auch einige zwey und andere gar drey Augen. Serv. ad Virg. Aen. III. 636. Nach dieser letzten Sage sieht man den Polyphem auf einem alten Gemälde. Le pitture d'Ercol. T. I. tav. 10. Sie waren zwar keine Götter, aber doch Göttern ähnlich. Hesiod. Theog. v. 142. Man verehrete sie daher an einigen Orten; wie sie denn zu Korinth in einem Tempel einen Altar hatten, worauf man ihnen Opfer brachte. Paus. Corinth. p. 87. Ihr Vater, Cölus, band sie und warf sie in den Tartarus. Apollod. lib. I. c. 1. §. 2. Jedoch befreyete sie hernach Jupiter, auf Rath der Erde, wieder, wofür sie ihm die Blitze und Donnerkeile, dem Pluto einen besondern Helm, und dem Neptun den Dreyzack verehreten, mit denen sie denn ihre Feinde, die Titanen, überwanden. Idem ibid. c. 2. §. 1. Sie dieneten dem Vulcan anstatt der Schmiedeknechte, und hatten ihre Werkstatt unter dem Berge Aetna, in der Insel Lipara und an andern Orten. Callimach. Hymn. in Dian. v. 47. & Spanhem. ad ill. Daselbst verfertigten sie so wohl dem Jupiter die Donnerkeile, als auch sonst noch für andere, Waffen und dergleichen Dinge mehr. Virgil. Aen. VIII. v. 426. Weil aber Jupiter mit dergleichen Blitzen auch den Aeskulapius erschlug, so wußte sich Apollo, dessen Vater, nicht anders zu rächen, als daß er die Cyklopen dafür mit seinen Pfeilen erschoß. Dagegen mußte er den Himmel meiden, und dem Admet, als Knecht, dienen. Hygin. Fab. 49. Gleichwohl sollen sie doch auch die Mauren um die Stadt Tirynth erbauet haben, welche aus solchen Steinen bestunden, wovon der kleinste mit einem Paar Zugochsen nicht fortgebracht werden konnte. Pausan. Corinth. c. 25. p. 131. & Eustath. ad Homer. Il. Β. v. 559. Einige geben auch die Mauren der Stadt Mycene für ein Werk von ihnen an, weil sie so fest gewesen, daß die Argier sie nicht niederreißen können; Ap. Nat. Com. lib. IX. c. 8. Außer diesen beyden Arten der Cyklopen, gab es noch eine Art derselben in Sicilien, welche auf den Bergen selbiger Insel lebeten, und ein wüstes und grausames Volk waren, der Götter spotteten, und alle andere Menschen fraßen, die sie nur ertappen konnten. Homer. Odyss. I. v. 106. it. 274. seqq. Dieses aber gilt hauptsächlich nur vom Polyphem. Die andern waren im Grunde nicht ungerecht: doch hatten sie keine gemeinschaftliche Rechte, sondern lebeten von einander abgesondert, ein jeder mit seiner Familie für sich. Sie ernähreten sich vom Viehe und begnügten sich mit dem, was die Erde von sich selbst hervor brachte, Didym. ad Homer. l. c. 106. & 115. Aus diesem allen hat man denn geschlossen, wie bereits erwähnet worden, daß es drey Arten Cyklopen gegeben, nämlich erst des Himmels und der Erde Söhne, zweytens die, welche die Mauren zu Tirynth erbauet haben, und die sicilianischen. Thom. Gale ad Apollod. lib. I. c. 1. §. 2 s. Not. p. 2.
5 §. Eigentliche Historie. Sie werden nicht unwahrscheinlich für die ersten Einwohner des einen Theils von Sicilien gehalten. Thucyd. lib. VI. c. 2. Cf. Strabo lib. I. p. 20. Sie sollen aus Italien dahin gekommen seyn, und hernachmals von den Phöniciern für eingebohrne seyn angesehen worden. Bochart. Chan. lib. I. c. 30. Weil man aber doch ihren wahren Ursprung nicht recht wußte, so gab man sie für Kinder der Erde und des Himmels aus. Ban. Erl. der Götterl. V B. 259 S. Indessen sollen sie bis auf des Kokalus Zeiten gewähret, Iustin. lib. IV. c. 2. §. 2. und ihren Aufenthalt insonderheit an dem lilybäischen Vorgebirge gehabt haben, woher sie auch den Namen bekommen. Weil sie nun an sich sehr ungeschlachte und grobe Leute gewesen, so haben die Poeten daher Gelegenheit genommen, sie noch ärger, als sie gewesen, vorzustellen, und sie mehr wegen ihrer Wildheit, als Größe, zu Riesen zu machen, sie auch insonderheit für Vulcans Schmiedeknechte auszugeben, weil sie an dem Berge Aetna mit wohneten, dessen Feuerspeyen und Krachen sie auf die Vorstellung einer Schmiede gebracht hat. Banier Entret. XVIII. ou P. II. p. 250. Daß man von ihnen vorgegeben, sie hätten nur ein Auge, soll daher gekommen seyn, weil sie sich mit kleinen stählernen Schildern bewaffnet, die ihnen das Gesicht bedeckten und den Augen gegen über ein Loch hatten. Banier am angef Orte 253 S.
6 §. Anderweitige Deutung. Einige verstehen unter ihnen die aufsteigenden Dünste, aus welchen Donner und Blitz entstehen, und werden sie für Söhne des Himmels angegeben, weil die himmlische Wärme solche Dünste empor zieht, allein auch für Neptuns Söhne gehalten, weil die Dünste insonderheit aus dem Wasser entstehen. Ihre Mutter soll Thoosa gewesen seyn, die von dem Laufen ihren Namen hat, weil solche Dünste geschwind in die Höhe gehen. Sie wurden von dem Himmel in den Tartarus verstoßen, welches noch geschieht, wenn im Winter die Dünste in der Erde zusammen gehalten werden: die aber Jupiter, das ist, eine gemäßigte Luft, wieder heraus läßt. Harpes von ihnen hat den Namen von ἁρπάζω, weil er die Dünste an sich zieht; Pyrakmon führet den seinigen von dem vielen Feuer, Polyphemus von dem starken Getöse, Brontes vom Donner, und Steropes vom Blitze, welches alles Wirkungen der Dünste sind. Daß Apollo sie erschossen haben soll, bedeutet, daß die Sonne mit ihren Stralen solche Dünste vertreibt und zernichtet. Nat. Comes lib. IX. c. 8. p. 978. Sonst werden sie zum Exempel wilder und ruchloser Leute vorgestellet, daher auch βίος Κυκλώπειος, ein cyklopisches Leben, so viel, als ein Leben heißt, wo man weder auf Gesetz, gute Sitten, noch Religion etwas hält. Erasm. Chil. I. cent X. 69. Adag. Einige machen dagegen aus ihnen Diener und Minister großer Fürsten und Herren, welche das Volk drücken und aussaugen, und darüber zwar von ihren Herren gestraft und gefangen geleget, jedoch aber auf Rath der Erde, oder des Nutzens wieder losgelassen, und ferner gebrauchet werden, wobey sie sich denn ungemein fleißig und ämsig erweisen, bis sie etwan zu einer verhaßten Arbeit und Unternehmung gebraucht werden, da denn der Fürst, welcher sich den Haß davon nicht zuziehen will, das Unternehmen auf sie schiebt, sie auch wohl den Beleidigten zu ihrer Willkühr überläßt, welche sie denn oft schmählich genug hinrichten. Baco Verulam. de Sap. Vet. c. 3.
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