- Agamemnon
AGAMEMNON, ŏnis, Ἀγαμέμνων, όνος, (⇒ Tab. XXX.)
1 §. Aeltern. Sein Vater war Plisthenes, des Atreus Sohn, Apollod. lib. III. c. 2. §. 2. welcher ihn, den Menelaus und die Anaxibia, nach einigen, mit der Eriphyle, Scholiast. Eurip. ad Orest. v. 5. nach andern aber mit der Aerope zeugete. Apollod. l. c. Hingegen sind viele, welche ihn für des Atreus Sohn ausgeben, Homer. Iliad. B. v. 23. Hygin. Fab. 97. & alii. der doch bloß sein Großvater war. Weil aber Plisthenes wegen seiner kränklichen Leibesbeschaffenheit nicht allem nichts rühmliches verrichtet, sondern auch gar zeitig gestorben, Atreus hingegen weit bekannter war, und auch den Agamemnon und Menelaus, als noch kleine Kinder, zu sich nahm und auferzog: so haben sie nicht nur von ihm den Namen der Atriden bey den Poeten bekommen; sondern sind auch selbst für dessen Söhne gehalten worden. Dictys Cret. lib. I. c. 2. & ad eum Anna. Fabra ex Eustath. & Schol. Euripid. l. c.
2 §. Thaten. Als Atreus seinen Bruder Thyestes so weit verfolgete, daß er sich aus dem Lande machen mußte, indessen aber dieses eine sehr große Dürre befiel, und Atreus von dem Orakel vernahm, daß selbige nicht eher aufhören würde, als bis Thyestes wieder zurück gekomen sey: so schickete er den Agamemnon und Menelaus ab, ihn aufzusuchen, die ihn auch zu Delphis antrafen, und, nachdem sie sich dessen bemächtiget, ihn dem Atreus nach Mycene überbrachten Hygin. Fab. 88. Als aber Thyestes nichts destoweniger dennoch Gelegenheit fand, den Atreus selbst durch seinen Sohn, den Aegisthus, hinrichten zu lassen, so verloren sie dadurch das Reich: doch bekam solches endlich Agamemnon A. M. 2752 wieder, Voss. Hst. univers. p. 9. & Pausan. Bœot. c. 40. und zwang auch den Hippolytus, König zu Sicyon, sich ihm zu unterwerfen Id. Corinth. c. 6. Indem aber mittler Weile Paris von Troja seinem Bruder, dem Menelaus, Könige zu Lacedämon, seine Gemahlinn, die Helena, entführete, so säumete er nicht, alles zum Kriege wider die Trojaner aufzubringen; und, da auch die meisten Heerführer zu Argis zusammen gekommen, so wußte er sie mit Anwendung einer großen Summe Geldes insgesammt zu seinem Willen zu bewegen; Dictys Cret. lib. I. c. 15. wie sie ihn denn auch hernach einmüthig zu ihrem obersten Feldhauptmanne erwähleten; Id. ib. c. 16. daher er so vielfältig bey den Poeten der König der Könige heißt. Als es darauf zum wirklichen Zuge kam, so stellete er sich allein mit 100 Schiffen. Homer. Il B. v. 576. Allem, indem sie sich zu Aulis versammleten, und er inzwischen auf der Jagd eine Hindinn erlegete, welche nicht allein der Diana gewidmet war, sondern er sich noch darzu rühmete, daß Diana selbst solche nicht gewisser fassen können: so verschaffete diese, daß sich nicht allein eine solche Meerstille erhub, daß die versammlete Flotte nicht auslaufen konnte; sondern noch darzu eine entetzliche Pest unter das Heer kam. Da man nun die Wahrsager deswegen um Rath fragete, so that Calchas die Erklärung, die Göttinn konnte nicht anders versöhnet werden, als wenn ihr Agamemnons Tochter, Iphigenia, geopfert würde. Hierzu wollte er sich erst keinesweges verstehen: jedoch wußte ihn Ulysses endlich zu bereden, der sie auch selbst nach Aulis holete. Allein, Diana rückte sie, aus Mitleiden gegen sie, hinweg, als sie auf dem Altare abgeschlachtet werden sollte, und stellete eine Hindinn dafür an ihre Stelle Hygin. Fab. 98. Dictys l. c. c. 19. sq. Ovid. Metam. XII. v. 24. In dem hernach erfolgeten Kriege erwies er sich nicht allein als ein guter König; sondern auch als ein tapferer Soldat, Homer. Il. Γ v. 279. und erlegete 16 tapfere Trojaner mit eigener Hand. Hygin. Fab. 114. Immittelst aber hatte er auch große Widerwärtigkeiten mit dem Achilles, von dem er nicht nur die schnödesten Reden einnehmen, sondern sich selbst mit dem Degen überlaufen sehen mußte, weil er ihm dessen schöne Sklavinn, die Briseis oder Hippodamia, weggenommen hatte. Homer. Il. Α. v. 119. sqq. Er mußte sie ihm auch endlich wieder geben, wollte er nicht das ganze Heer der Griechen, ohne des Achilles Beystand, zu Grunde gehen sehen, oder auch gewärtig seyn, daß er die Oberbefehlshaberschaft verlieren, und die aufgebrachten Heerführer ihm übel begegnen möchten. Id. ib. T. v. 246. & Dictys Cret. lib. II. c. 51. Als endlich Troja erobert wurde, und er nicht leugnen konnte, daß er sich in die gefangene Cassandra, Priamus Tochter, verliebet hätte: so wurde sie ihm zur Beute mit zugeschlagen, Id. lib. V. c. 12. mit der er denn auch glücklich in Griechenland anlangete, da die übrigen Heerführer meist allerhand widrige Begebenheiten auf ihrer Heimfahrt auszustehen hatten.
3 §. Familie. Seine Gemahlinn war Clytämnestra, des Tyndareus, Königs zu Lacedämon, Tochter und Schwester der Helena, daß er also und sein Bruder zwo Schwestern zur Ehe hatten. Apollod. lib. III. c. 10. §. 6. Mit dieser seiner Gemahlinn zeugete er von Töchtern, die Iphigenia, Chrysothemis, Laodicea, Iphianassa und Elektra, von Söhnen aber den Halesus und Orestes. Boccacc. lib. XII. c. 15. Jedoch hatte er auch von vorhin gemeldeter Cassandra noch zween Söhne, nämlich den Teledamus und Pelops. Pausan. Corinth. c. 16.
4 §. Gestalt und Eigenschaften. Er war von Statur groß und von Gliedmaßen stark, dabey weiß von Farbe, nicht weniger aber auch klug, beredt und in allem seinem Thun edel; Dares Phryg. c. 13. wie denn auch Priamus selbst von ihm urtheilete, daß er zwar Leute sähe, die des Kopfes größer wären, als andere, allein keinen, der so schön, ehrwürdig und einem Könige ähnlicher aussähe, als er. Homer Il. Γ v. 168.
5 §. Tod. Weil sich in seiner Abwesenheit Clytämnestra mit dem Aegisthus eingelassen hatte, so lud ihn dieser bey seiner Zurückkunft von Troja zu sich zu Gaste, überfiel ihn aber über der Tafel mit seinen Leuten, und machte ihn nebst der Cassandra nieder. Hom. Od. Λ. v. 408. Doch wollen andere, daß solches geschehen, als er sich im Bade befunden, und ihm Clytämnestra ein Hemde gegeben, woran der Hals oben und vorn die Aermel zugenehet gewesen. Da er nun solches anziehen wollen, so habe er weder mit dem Kopfe, noch mit den Händen hindurch gekonnt, und sie ihn also mit Beyhülfe des Aegisthus hingerichtet. Lycophr. v. 1099, & ad eum Tzetzes l. c. Noch andere setzen bemeldetes Hemde und Gastgeboth zusammen, und zwar soll ihn dabey Clytämnestra mit einer Axt vor den Kopf geschlagen, Aegisthus aber das Schwert in die Seite gestoßen, und, da er sich in dem Hemde und bemeldeter Stellung nicht wehren können, also niedergemacht haben. Sen. in Agamem. v. 881. sqq. Wenigstens brachten sie die gute Cassandra darauf ebenfalls um, schlachteten auch beyder obbenannte Kinder bey ihrem Grabe ab, und schickten sie also den Aeltern nach. Ihr Grab hat man noch lange Zeit hernach selbst in den Ruinen der Stadt Mycenen gewiesen. Pausan. Corinth. c. 16.
6 §. Verehrung. Die Lacedämonier verehreten ihn göttlich, Voss. Theol gent. l. I. c. 13. und hatten ihm daher nicht nur seinen besondern Tempel erbauet, sondern gaben ihm auch den Beynamen Jupiter. Canter. ad Lycophr. v. 1123. So fanden sich auch ehemals Statüen genug von ihm, zumal in Griechenland; Pausan. passim. jedoch hat man nunmehr weder alte Statüen, noch Münzen mehr, die als ein Ehrenmaal von ihm können angesehen werden. Lud. Smids in Scena Troica Num. I. Immittelst hat ein alter griechischer Poet ihm diese Grabschrift, nach des Ausonius Uebersetzung verfertiget: Epitaph. Num. I.
Rex regum Atrides, fraternæ conjugis ultor,
Oppetii manibus conjugis ipse meæ.
Quid prodest Helenes raptum punisse dolentem,
Vindicem adulterii quum Clytæmnestra necet?
Und es sind von ihm auch noch eine Tragödie des Aeschylus, Fabric. Biblioth. Gr. lib. II. c. 16. §. 6 und eine des Seneca Id. Biblioth. Lat. lib. II. c. 9. §. II. n. 8. vorhanden.
http://www.zeno.org/Hederich-1770.