- Psyche
PSYCHE, es, (⇒ Tab. XIV.) des Apollo und der Endelechia Tochter. Mart. Capella ap. Gyrald. Synt. XIII. p. 406. Andere bestimmen ihre Herkunft gar nicht, sondern sagen nur, sie wäre von dreyen sehr schönen Prinzessinnen eines unbenannten Königes die jüngste und schönste gewesen. Jedermann hielt sie für schöner, als die Venus, welche darüber unwillig wurde und dem Cupido befahl, diese Schmach dadurch rächen, daß er sie zu einer unanständigen Liebe verleitete. Dieser aber verliebete sich selbst sie, und hinderte, daß niemand sie zur Gemahlinn suchete. Indessen vermähleten sich ihre beyden andern Schwestern; und, als ihre Aeltern das Orakel wegen Psychens Schicksal befrageten, so erhielten sie zur Antwort: Sie sollten dieselbe als eine Todtenbraut geschmückt auf die Spitze eines hohen Felsen bringen, und sich keinen sterblichen Eidam versprechen; sie würde einen wildern, grausamern und ärgern Gemahl, als eine Otter, bekommen, der mit Feuer und Eisen überall wüthete, vor dem sich alle Götter fürchteten, und Himmel und Hölle bebeten. So betrübt dieser Ausspruch auch war, so wurde ihm doch endlich nachgelebet. Man brachte Psychen auf einen einsamen Felsen, von da sie Zephyr aufhob und in eine angenehme Flur führete. Apulej. Metam. l. IV. p. 131. In der Mitte derselben stund ein prächtiger Pallast, der von Golde und Edelsteinen schimmerte. Sie gieng hinein und wurde von Stimmen unsichtbarer Personen bewillkommet, welche ihr alles als ihr Eigenthum anwiesen und sie einluden, da zu bleiben. Alsbald erschien eine königliche Tafel mit den köstlichsten Gerichten besetzet, und sie wurde dabey von unsichtbaren Nymphen bedienet. Es ließ sich die lieblichste Musik von allerhand Instrumenten und Stimmen hören. Gegen die Nacht legete sie sich in ein schönes Bette zur Ruhe, und nicht lange darauf kam der ihr bestimmte Gemahl im Finstern zu ihr, verließ sie aber auch vor Anbruche des Tages wieder, nachdem er ihr empfohlen hatte, sie mochte sich nicht bemühen, ihn kennen zu lernen. Nach einiger Zeit meldete er ihr, daß ihre zwo Schwestern sie sucheten, doch warnete er sie vor denselben, und rieth ihr, mit solchen nicht zu sprechen. Weil sich aber Psyche gar zu sehr darüber betrübete, daß sie von allen Menschen abgeschieden seyn und auch nicht einmal mit ihren eigenen Schwestern umgehen sollte: so erlaubete ihr Cupido das letztere die folgende Nacht, mit dem Bedinge, daß sie ihrem Rathe ja niemals folgete. Psyche ließ sie also durch den Zephyr zu sich holen, entdeckete ihnen ihre ganze Glückseligkeit, beschenkete sie reichlich und meldete ihnen, wie sie öfters zu ihr kommen könnten. Die große Herrlichkeit, welche sie überall sahen, machete sie bald neidisch, und sie sannen darauf, ob sie nicht ihre Schwester darum bringen und sich selbst an deren Stelle setzen könnten. Nach einigen Besuchen also, da sie nichts gewisses von deren Gemahle erfahren konnten, beredeten sie dieselbe, er müsse wohl ein Ungeheuer seyn, nach dem Orakelspruche, und riethen ihr, sie sollte, wenn er schliefe, aufstehen, eine Lampe anzünden, ein scharfes Messer zu sich nehmen, und ihm solches durch das Herz stoßen, so bald sie ihn so fände. Psyche folget ihrem Rath, erstaunet aber sehr, als sie den Liebesgott selbst erblicket, welcher seinen Köcher und Bogen vor dem Bette niedergeleget hatte. Aus Vorwitze nimmt sie einen seiner Pfeile, und verwundet sich damit. Sie wird dadurch noch verliebter in ihn, zittert aber vor Bestürzung dermaßen, daß sie die Lampe nicht fest halten kann, und es fallen dadurch einige Tropfen brennendes Oeles auf seinen bloßen Leib. Er erwachet davon, bedauret sie und fliegt hinweg. Psyche ist nunmehr ganz trostlos deswegen und will sich in einen Fluß stürzen, wird aber von dem Gotte desselben noch daran verhindert Sie irret überall herum u. suchet ihren Geliebten. Dabey kömmt sie zu ihrer ältesten Schwester und erzählet derselben, wie es ihr ergangen, und daß Cupido ihr nunmehr gehäßig geworden, und statt ihrer sie zur Gemahlinn nehmen wollte. So gleich begiebt sich solche auf den Berg, ruft den Zephyr, sie fort zu führen, wird aber von dem Felsen hinab gestürzet. Ihre andere Schwester hatte ein gleiches Schicksal zur Strafe. Doch damit war Psychens Unglück noch nicht gehoben. Venus hatte von einem Vogel Gavia erfahren, daß sie ihres Sohnes Buhlschaft gewesen, und von demselben schwanger wäre. Id. ib. l. V. Hierdurch wurde sie noch mehr aufgebracht, und ersuchete den Jupiter, sie vor sich holen zu lassen. Indessen hatte sich Psyche schon fast an alle Götter gewandt, aber vergebens. Endlich traf sie die Ge wohnheit, eine Dienerinn der Venus, an, welche sie bey den Haaren vor ihre Gebietherinn schleppete. Diese begegnete ihr überaus hart und übergab sie zwoen andern ihrer Dienerinnen, der Betrübniß und Traurigkeit, sie zu martern. Zugleich befahl sie ihr, einen großen Haufen unter einander gemengter Körner aus zu lesen, und jede Art derselben besonders zu thun, auch damit vor Einbruche der Nacht fertig zu seyn. Psyche erstarrete darüber vor Schrecken: es halfen ihr aber gefällige Ameisen aus dieser Verlegenheit. Darauf sollte sie der Venus einen Flocken goldene Wolle von gewissen Schafen holen, die an einem Orte jenseits eines Flusses weideten, zu welchem man nicht leicht kommen konnte. Indem sie sich nun dafür lieber selbst in diesen Fluß stürzen wollte, so hörete sie aus dem Schilfe desselben, wie sie solchen Flocken bekommen könnte, und brachte ihn also der Göttinn. Allein, diese war dadurch noch nicht besänftiget, sondern verlangete, sie sollte ihr einen Krug voll schwarzes Wassers aus einem Brunnen bringen, den ein grimmiger Drache bewachete. Hier nahm ihr ein Adler den Krug ab, füllete solchen mit diesem Wasser, damit sie es der Venus bringen könnte. Endlich gab ihr solche eine Büchse und hieß sie damit hinunter zur Proserpina gehen und sich in ihrem Namen etwas von deren Schönheit ausbitten, weil sie ihre bey Verbindung der Wunden ihres Sohnes meist verloren hätte. Eine Stimme lehrete Psychen, wie sie solches ausrichten könnte, verboth ihr aber ausdrücklich, die Büchse ja nicht zu eröffnen. Allein, ihre Neugier, oder auch die Absicht, etwas von der Schönheit für sich aus der Büchse heraus zu nehmen, machte, daß sie solche dennoch öffnete, so bald sie die Hölle verlassen hatte. Sie fand nichts weiter darinnen, als einen unterirdischen einschläfernden Dampf, der sich aller ihrer Sinne bemeisterte, daß sie in, einem Todtenschlafe niedersank. Sie würde niemals wieder davon erwachet seyn, wenn Cupido sie nicht mit der Spitze eines Pfeiles erwecket hätte. Er that darauf den Dampf wieder in die Büchse und hieß ihr solche zu seiner Mutter tragen. Unterdessen flog Cupido gen Himmel, und beklagete sich beym Jupiter, welcher die Götter zusammen kommen ließ und verordnete, daß er die Psyche behalten und Venus sich seiner Verbindung mit ihr nicht widersetzen sollte. Mercur mußte zu gleicher Zeit die Psyche in den Himmel holen, wo sie in die Gesellschaft der Götter aufgenommen und unsterblich gemacht wurde. Man begieng ihre Verbindung feyerlich; und sie brachte nicht lange darnach eine Tochter auf die Welt, welche Wollust hieß. Apulej. l. c. l. VI. Man sieht leicht, daß diese ganze Dichtung allegorisch und mit ihren Ausschmückungen unsern Feyenmährchen sehr ähnlich ist. Psyche ist die Seele, deren beyde ältere Schwestern das Fleisch und die Freyheit des Willens seyn sollen. Ihre Schönheit verdrießt die Venus oder die Wollust. Sie schicket daher den Cupido oder die Begierde ab, sie verliebt zu machen. Weil es aber auch eine Begierde zum Guten giebt, so fordert dieselbe von der Psyche, sie solle ihr Angesicht nicht zu sehen verlangen, das heißt, die Ergötzungen der Begierden nicht kennen lernen; auch solle sie dem Rathe ihrer Schwestern, d.i. des Fleisches und der Freyheit des Willens, nicht folgen und neugierig nach ihrer Gestalt forschen. Da Psyche aber mit der brennenden Lampe kommt, ihren Gemahl zu besehen, so wird sie nur desto verliebter in ihn und verbrennet ihn selbst mit einem herabfallenden Funken; weil alle Begierde desto mehr entbrennet, je mehr sie geliebet wird. Fulgent. Mythol. l. III. c. 6. Dergleichen Deutungen lassen sich noch mehr machen. S. Lavaurs Vergl. der bibl. Gesch. mit der Fab. 498 S. Man bildet sie ordentlicher Weise mit Schmetterlingsflügeln ab; und so sieht man sie auf mancherley alten Denkmaalen in verschiedenen Vorstellungen. Montfauc. Ant. expl. T. I. P. I. pl. 120–122. Lipperts Dactyl. I Taus. 837–843 N. Die meisten derselben beziehen sich auf die erzählete Geschichte: doch findet man auch einige in andern Absichten. So sieht man sie z.B. auf einem schön geschnittenen Carneole mit einem Steuerruder aufgerichtet in einem Schiffe stehen, welches von zweenen Delphinen gezogen wird, die sie an einem Zaume regieret. Borioni coll. antiq. Rom. t. 43. Auf einer halb erhabenen Arbeit in Elfenbeine schläft sie zwischen zwoen kleinen Säulen, worauf Gefäße stehen Cupido kommt mit einer über sie ausgereckten Fackel zu ihr, wie man saget: er scheint aber vielmehr von ihr zu gehen und die vorgegebene Fackel auch eher ein Wurfspieß zu seyn, woran ein Band hängt. Vieleicht hat es die Geschichte anzeigen sollen, wo er sie mit einem Pfeile von ihrem Todtenschlafe erwecket. Man will aber, daß es nach den Platonikern anzeigen solle, wie die Begierde die Seele führe, u. die beyden Gefäße sollen die mancherley Neigungen andeuten, welche bey den Menschen von beyden entstehen. Buonarot. sopra alc. Medag. p. 382. e Pref. p. XXVI. Eine Anspielung von ganz besonderer Art findet man auf einer Gemme, wo man sie ihren Kopf auf eine Radehaue lehnen sieht, die sie mit der linken Hand auf etwas Felsen stemmet. Dieses soll das Bild der ruhenden Seele bey dem Ackerbaue vorstellen. Winkelm. Mon. ant. 34. p. 42. Daß die Seele aber durch einen Schmetterling abgebildet worden, dazu ist vieleicht der erste Anlaß gewesen, daß eine Art derselben im Griechischen eben so, wie sie, Psyche, heißt. Arist. Hist. anim. l. V. c. 19. Plutarch. Sympos. l. II. c. 3. p. 636.
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