- Somnvs
SOMNVS, i, Gr. Ὕπνος, ου, Schlaf, (⇒ Tab. I.)
1 §. Namen. Der lateinische Namen soll von dem beygesetzten griechischen herkommen, so daß man ihn erst Sypnus, sodann Sopnus, und endlich Somnus ausgesprochen. Gell. N. A. l. XIII. c. 9. Allein, ungeachtet einige solche Ableitung billigen: Voss. Etymol. in Somnus, p. 556. so halten doch andere sie nur für eine lächerliche Grille. Gronov. ad Gell. l. c. Es wollen daher andere diesen Namen lieber aus dem Ebräischen herholen, und meynen, daß er entweder von Num, er hat geschlafen, komme, wo das n in ein s verwandelt worden, oder von Schenah, er hat geschlafen. Becmann. Orig. LL. in Somnus, p. 1027.
2 §. Aeltern. Für diese werden von einigen Erebus und die Nacht angegeben. Hygin. Præf. p. 1. Andere hingegen machen ihn bloß zu der Nacht Sohn. Hesiod. Theog. v. 222. & ad eum Cleric. l. c. Er hatte den Tod zum Zwillingsbruder. Homer. Il. Π. 672. Aelian. H. V. l. II. c. 31. Von einigen wird er auch für einen Sohn der Asträa, oder Gerechtigkeit angegeben. Seneca Hercul. fur. 1968.
3 §. Wesen und Verrichtungen. Er wurde zwar für den sanftmüthigsten Gott gehalten: Ovid. Met. XI. v. 623. jedoch erstreckte sich auch seine Macht über Götter und Menschen. Orpheus Hymn. in Somnum, v. 1. & Argonaut. v. 1002. Nur machte er sich nicht gern an den Jupiter, weil er es einmal gethan, und von ihm dafür gewiß würde seyn in das Meer geworfen worden, wenn ihn nicht die Nacht gerettet hätte. Jedoch, da ihm Juno, auf sein Verlangen, die Pasithea, eine der Gratien, dafür zu geben versprach, so verbarg er sich auf einer hohen Tanne auf dem Berge Ida, und überraschte hernach den Jupiter, so daß immittelst die Griechen Gelegenheit fanden, den Trojanern ziemlichen Nachtheil zuzufügen. Homer. Il. Ξ. v. 233. Er war dem Bacchus mit zum Gefährten zugegeben. Sil. Ital. VII. 205. Daher sieht man ihn auf alten Denkmälern zuweilen in seinem Gefolge. Lessing, wie die Alten den Tod gebildet. 48 S. Indessen war sein vornehmstes Thun und Wesen, ganzstill die Welt zu durchstreichen, und die Menschen zwar zu überraschen, allein ihnen auch alle Sorgen und Schmerzen zu benehmen. Er machete, daß sie weder Fessel, noch Gefängniß, weder Wunden, noch sonst einiges Uebel mehr empfanden. Orph. l. c. Dafür aber mußten sie ihm auch wieder, als einem harten Zöllner, die Hälfte ihres Lebens zinsen. Aristo ap. Nat. Com. l. III. c. 14.
4 §. Wohnung und Aufenthalt. Diese soll er bey den Scythen, an der Landschaft der Cimmerier, in einer großen Höhle eines Berges gehabt haben, wohin niemals einiger Sonnenstral kam, wohl aber alles daselbst neblicht war. Es befanden sich da weder Hahn, Hund, wachsame Gans, Wild, Vieh, noch rauschende Bäume: jedoch gieng unter dem Felsen der Fluß der Vergessenheit, Lethe, hervor, welcher mit seinem sanften Geräusche den Schlaf verursachte. Vor dem Eingange der Höhle stunden Mohn und andere schlafbringende Kräuter: sie selbst aber hatte weder einige Thore, noch einigen Hund zum Hüter, der mit seinem Bellen den Schlaf hindern konnte: wohl aber stund in demselben ein Bette von Ebenholze, mit schwarzem Bettgewande, worauf der Schlaf lag, und um welchem herum sich alles voller Träume befand. Ovid. l. c. v. 592. Andere geben ihm zu seinem Aufenthalte eine Höhle in einem dichten Walde bey den Aethiopern, vor welcher die Ruhe, die Vergessenheit, und die Trägheit stillschweigend sitzen und die ungestümen Winde abhalten, daß sie hier kein Geräusch machen. Er liegt daselbst sorgenlos auf einschläfernden Bluhmen unter der feuchten Höhle hingestreckt, und um ihn herum schwebet, sitzt, hängt und liegt die dunkle Schaar unstäter Träume mit unzähligen Gesichtern. Stat. Theb. X. 84 sqq. Man dichtet für ihn auch wohl eine Stadt, welche auf der Trauminsel liegt, um sich aber einen Wald von lauter hohen Mohn- und Mandragorenbäumen hat, die voller Fledermäuse sind, da keine andere Vögel hier gezeuget werden. An der Stadt hin läuft der Fluß, Nyktiporus, (Nachtstrom) und am Thore sind zween Brunnen, Pannychia, (Uebernachtungen) und Nigrets, (Unerweck). Die Ringmauer der Stadt ist hoch, und so vielfärbicht, wie ein Regenbogen. Die Stadt selbst hat nicht, wie Homer schreibt, zwey, sondern vier Thore; zwey davon gehen auf das Feld der Trägheit. Eines ist eisern, das andere irden, durch welche die fürchterlichen, die blutgierigen und wilden Träume gehen sollen. Die beyden andern Thore liegen gegen den Haven und das Meer zu. Der vornehmste Tempel in solcher Stadt ist der Nacht gewiedmet, welche man daselbst, nebst dem Hahne, der auch einen Tempel hat, am meisten verehret. Mitten auf dem Markte ist ein Brunnen, der Kareotis (Schwerschlaf) heißt, nicht weit von welchem die Apate, oder der Betrug, und die Alethia, oder die Wahrheit, ihre Kapellen haben. Daselbst ist auch ihr geheimes Heiligthum und Orakel, welchem der Wahrsager Antipho (Widerspruch) ein Traumdeuter, vorsteht. Die Einwohner der Stadt sind die Träume, von denen keiner dem andern ähnlich sieht. Einige sind lang, schön und angenehm, einige klein und ungestältet. Viele scheinen von Golde zu seyn; viele aber auch unansehnlich und schlecht. Einige von ihnen sind geflügelt und seltsam gestaltet; andere, wie zu einem Gepränge als Könige und Götter, oder auf eine andere Art, angeputzet. So bald ein Sterblicher dahinein kommt, thun sie ganz bekannt und vertraut mit ihm. Sie nehmen ihn freundlich auf, schläfern ihn ein, bewirthen ihn prächtig und herrlich, wobey sie es an keinen Kostbarkeiten fehlen lassen, und ihm wohl gar versprechen, ihn zu einem Könige u. Landpfleger zu machen. Sie führen ihn auch zuweilen in sein Vaterland zurück, zeigen ihm seine Anverwandten, und bringen ihn noch in eben dem Tage zurück. Der Schlaf herrschet über sie, und hat zween Statthalter unter sich, wovon der eine Taraxione (Schreck) heißt, und Matäogenes (Eitelwinds) Sohn ist; der andere aber Plutokles, (Reichpraler) Phantasions (Lustschlössers) Sohn. Lucian. ver. histor. l. II. p. 683. sq. Als indessen Juno seiner nöthig hatte, so suchete sie ihn an keinem dieser Orte, sondern er begegnete ihr auf der Insel Lemnos, Hom. Il. Ξ. 230.
5 §. Familie Ungeachtet ihm Juno die Pasithea zur Gemahlinn versprochen hatte, so findet man doch nicht, daß er Kinder mit ihr gezeuget. Venus tröstet sie vielmehr, sie wolle sie zu diesem finstern Bräutigame eben nicht nöthigen. Nonni Dionys. l. XXXIII. 38. Indessen waren doch seiner Kinder mehr, als tausend, unter denselben aber die vornehmsten Morpheus, welcher den Menschen alle Reden, Gebärden und dergleichen nach zu machen wußte; so dann Icelus, welcher sich in Thiere, Vögel, Schlangen und dergleichen verwandeln konnte, und daher besagten Namen zwar bey den Göttern hatte, allein Phobetor bey den Menschen hieß; und endlich der dritte Phantasus, welcher sich in Steine, Holz, Bäume und dergleichen zu verwandeln wußte. Ovid. Metam. XI. v. 633. Seine Geschwister waren die Elpides, oder Hoffnungen, Nat. Com. l. III. c. 14. imgleichen Mors und Lethum, der Tod. Hygin. Præs. p. 1. & ad eum Muncker. l. c.
6 §. Verehrung. Er wurde zwar von aller Welt angerufen und verehret: Valer. Flac. VIII. 70. Gleichwohl findet man nicht, daß ihm besonders ein Tempel errichtet gewesen. Dagegen traf man hin und wieder Bildsäulen von ihm an; wie er denn eine dergleichen, wo er einen Löwen einschläferte, in dem Tempel des Aeskulapius zu Sicyon hatte. Er führete daselbst, wie Jupiter, den Zunamen Epidotes, weil er den Menschen alles Gutes gäbe. Pausan. Corinth. c. 10. p. 103. Desgleichen stellete zu Sparta eine ihn u. den Tod vor. Id. Lacon. c. 18. p. 195. Jedoch hatte er auch zu Trözene einen Altar, auf welchem ihm und den Musen geopfert wurde, denen er vorzüglich gewogen seyn sollte. Id. Cor. c. 31. p. 144. Nach einer alten Aufschrift wurden er und Bacchus, als die beyden größten und angenehmsten Erhalter des menschlichen Lebens, gemein. schaftlich angebethet. Grut. Corp. in. script. p. LXVII 8.
7 §. Bildung. Diese kam bey den Alten in allen mit des Todes seiner überein. Lessing, wie die Alten den Tod gebildet. 5 u. ff. S. Auf einer Kiste von Cedernholze in dem Tempel der Juno zu Elis fand sich eine Figur, welche die Nacht vorstellete, die in ihrem rechten Arme einen weißen, und auf dem linken einen schwarzen Knaben hielt, welche beyde schliefen und beyde krumme Beine hatten. Pausan. Eliac. prior. c. 18. p. 321. So übersetzet man es gemeiniglich: man hat es aber viel wahrscheinlicher gemacht, daß es heissen müsse, welche die Füße über einander geschlagen hatten. Lessing am a. O. 18 S. Der eine stellete den Tod, und der andere den Schlaf vor; und nach dieser Ordnung der Wörter sollte man schließen, daß sich der Tod auf den weißen, und der Schlaf auf den schwarzen Knaben beziehe. Indessen möchte man doch wohl lieber den weißen für den Schlaf, und den schwarzen für den Tod halten wollen. Sieh Mors. Allein, man giebt dem Schlafe ebenfalls schwarze Flügel; Tibul. l. II. el. I. 89. & Brouckhus. ad il. und nennet ihn den schwarzfederichten; Non. Dion. XXXI. 175. oder wohl gar den schwarzfarbichten. Ld. XXXIII. 40. Läßt sich nun gleich seine Farbe nicht eigentlich bestimmen, so ist es doch gewiß, daß er als einjunger Genius mit Flügeln gebildet wird, der den linken Fuß über den rechten geschlagen hat, und sich dabey auf eine umgekehrte brennende Fackel mit dem linken Arme und einem gesenkten Gesichte stützet, den rechten Arm aber auf die linke Schulter geleget hat, wovon ein Gewand herab hängt Beger. spicil. ant. p. 106. In dieser Stellung mit einigen kleinen Veränderungen, da er bald den rechten über den linken Fuß geschlagen hat, bald die Fackel auf der rechten, bald auf der linken Seite hält, bald sich mit bey den Armen, bald nur mit einem darauf stützet, bald den Kopf senket, bald nicht, u.s.w. kömmt er noch auf vielen alten Denkmälern vor. Maffei Mus. Veron. p. CXXXIX. Ja, so sieht man ihn auch zuweilen auf geschnittenen Steinen. Mus. Flor. T. I. t. 74. n. 7. Doch könnte es seyn, daß er mannichmal ohne Flügel gebildet worden. Lessing am a. O. 30 S. Da aber diese Abbildungen meistens auf Grabmälern vorkommen, so hat man solche lieber für den ewigen Schlaf annehmen wollen. Cuperi apotheos. Homeri. p. 178. Damit nun der natürliche Schlaf von ihm unterschieden werde, so hat man jenem einen Aschenkrug, einen Schmetterling, oder einen Kranz, und diesem ein Horn zum besondern Abzeichen gegeben. Less. a. a. O. 41 S. Mit diesem, woraus er die Träume schüttete, findet man ihn vielfältig bey den Dichtern. Stat. Theb. II. 143. VI. 27. X. 111. Val. Flac. VIII. 72. Es pflegten ihn auch die Maler damit vorzustellen. Serv. ad Virg. Aen. VI. 894. Lutat. ad Stat Theb. VI. 27. Philostr. Icon. l. I. n. 27. p. 803. In diesem Horne trug er den schlafmachenden Mohn. Sil. Ital. X. 353. Daher findet man ihn denn auf einem alten Marmor, wo er ebenfalls mit Flügeln und so über einander geschlagenen Beinen liegt und schläft, ein Paar Mohnköpfe, die ihm zu entfallen scheinen, in der linken Hand haben, auf deren Seite er ruhet. Er hat den Arm und den Kopf auf einer Löwenhaut liegen. Den rechten Arm hat er über den Leib geschlagen und auf die linke Schulter gelegt. Eine Eidechse kriecht nach den Mohnköpfen hinan, als ob sie davon fressen wollte. Drakenborch ad Sil. Ital. l. c. p. 518. Eine andere schöne Bildsäule zeiget ihn in eben dieser Stellung nur mit der Eidechse zu seinen Füßen, und den rechten Arm über seinen Kopf geschlagen Maffei Racc. di Stat. t. 151. Mit eben dem über den Kopf geschlagenen Arme, worinnen er auch die Mohnhäupter hält, sieht man auf einem alten Marmor ihn geflügelt auf einer Löwenhaut auf dem Rücken liegen, da er in der linken Hand das neben ihm liegende Horn gehabt hat. Auf seinem Kopfe befinden sich ein Paar kleine nach außen gekrümmte Hörner. Er hat aber die Beine nicht über einander geschlagen, sondern das linke etwas hinauf gezogen mit dem Knie auf dem rechten Schenkel liegen. Tollii epist. itiner. III. p. 72. & 86. Diese Hinausziehung des Fußes ist indessen doch nicht so gewaltsam, als des vom Algardi gebildeten Schlafes seine in der Villa Borghese. Brigentii villa Burghes. p. 82. Doch diese Bildsäule soll nur nach der Lage und Gebährdung des besoffenen Faunes gemacht seyn. Less. a. a. O. 82 S.
http://www.zeno.org/Hederich-1770.