- Midas
MIDAS, æ, Gr. Μίδας, ου.
1 §. Namen. Diesen führen einige von μηδέν, nichts, und εἴδειν, wissen, her, weil Midas nicht gewußt habe, sich selbst recht zu nützen; Fulgent. Mythol. l. II. c. 13. andere von μὴ, nein, und ἰδὼν, sehend, Becm. Orig. L. L. in Video, p. 1153. allein, ungeachtet diese Etymologie vieleicht für eben so ungereimt, als erstere, geachtet werden dürfte, so ist auch die nicht viel besser, da solcher Namen von μίδάς hergeleitet wird, welches den besten Wurf mit den Würfeln bedeutet. Muncker. ad Fulgent. l. c.
2 §. Aeltern. Sein Vater soll Gordius, König in Phrygien gewesen seyn. Herod. Clio, I. c. 14. Iustin. l. XI. c. 7. §. 14. Zur Mutter giebt man ihm die idäische Göttinn oder Cybele, Hygin. Fab. 191. wiewohl nicht gemeldet wird, ob beyde eben mit einander zusammen für dessen Aeltern anzusehen sind. Einige wollen, er sey selbst aus dem Geschlechte der Satyren gewesen. Philostr. de vit. Apoll. l. VI. c. 27. p. 267.
3 §. Stand und Thaten. Er war König in Mygdonien oder Lydien. Hygin. Fab. 191. Da et noch als ein Kind in seiner Wiege lag und schlief, so kamen die Ameisen, und trugen ihm Körner in den Mund. Als seine Aeltern deswegen die Wahrsager befragten, so gaben sie ihnen zur Antwort, daß er dereinst der reicheste auf Erden werden würde, welches auch her nachmals erfolgete. Valer. Max. l. I. c. 6. Extern. n. 2. Cf. Aelian. V. H. l. XII. c. 43. & Cic. de Divin. I. c. 36. p. 1213. Denn als Bacchus durch Lydien zog, so verlor sich Silenus in seiner Trunkenheit von dessen Haufen. Die Bauern fiengen ihn und brachten ihn zu dem Midas. Ovid. Met. XI. v. 90. & Hygin. l. c. Nach andern merkte er es sich, aus welchem Brunnen Silen zu trinken pflag. Er goß daher solchen voller Wein; und als sich derselbe darinnen besoff und einschlief, so nahm er ihn gefangen. Max. Tyr. Diss. 30. Man hat davon ein Bild angegeben, worinnen Midas als ein zärtlicher und seiner Herr vorgestellet worden, der für seinen Kopfputz und seine Haarlocken sehr besorget gewesen, und ein mit Golde besetztes Kleid und einen Thyrsusstab trug, dessen schöne Augen aber durch die langen Ohren etwas schläfrig zu seyn schienen. Philostr. Icon. l. I. c. 22. p. 796. Dieser Brunnen befand sich bey der Stadt Ancyra, welche Midas erbauet hatte und erhielt von dieser Begebenheit den Namen Midasbrunnen. Paus. Att. c. 4. §. 8. Sie unterredeten sich beyde von vielen wichtigen Dingen mit einander. Sieh Silenus. Darauf stellete er ihn dem Bacchus wieder zu. Weil er ihn nun sehr gütig und wohl gehalten hatte, so gab er ihm dafür die Freyheit, sich etwas zu wünschen, was er wollte. Midas begehrte darauf, daß alles, was er anrührete, zu Golde werden möchte, welche Bitte ihm denn sogleich gewähret wurde. Denn als er Holz, Steine, Aehren, Wasser u.d.g. mehr angriff, so wurde alles sofort zu Golde, worüber er denn eine ganz ungemeine Freude hatte. Allein, als er essen und trinken wollte, und beydes Speise und Trank, so bald er es nur mit dem Munde berührete, auch zu Golde wurde, so erschrack er desto heftiger. Wie ihn nun endlich Hunger und Durst grausam plageten, so rief er den Bacchus innigst an, ihn wieder von dieser Noth zu befreyen. Dieser gestund ihm solches zu, und befahl ihm, er sollte in dem Flusse Paktolus dem Wasser entgegen gehen, und in dessen Quelle den Kopf tauchen, sich aber sodann am ganzen Leibe in dem Strome baden. Er that solches, wodurch er denn seiner Plage los wurde, hingegen der Fluß reichlich Gold mit sich zu führen anfieng, daher er denn auch den Namen Chrysorrhoas, oder der Goldfluß bekam. Indessen wollen doch einige, er habe den Silenus selbst, Ovid. l. c. oder auch den Apollo Farnab. ad ejusd. v. 142. um die Goldmacherey gebethen, und die andern Götter hernach um die Befreyung davon angeflehet, Max. Tyr. l. c. die ihn denn auch dießfalls erhöret, nachdem er seiner Thorheit halber genug gestrafet gewesen. Fulgent. Mythol. II. v. 13. Ob er nun wohl solcher Gestalt von dieser Noth wieder befreyet wurde: so gerieth er doch in eine andere, als Apollo und Pan mit einander stritten, wer der beste Meister in der Musik sey. Da sich nun Apollo auf seiner Leyer, Pan aber auf seiner Pfeife hören ließ, so sprach Tmolus den Vorzug dem Apollo zu, Midas aber meynete, er habe nicht recht geurtheilet, und gab den Preis dem Pan. Dieß verdroß den Apollo dergestalt, daß er ihm statt der Menschenohren, ein Paar große und lange Eselsohren an den Kopf setzete. Er suchte dieselben auf alle Art vor den Menschen zu verbergen, und insonderheit durch seine königliche Mütze zu bedecken. Allein, wie doch solches nicht vor seinem Barbier geschehen konnte, so vermochte es dieser auch keinesweges zu verschweigen. Er getrauete sich gleichwohl nicht, es öffentlich auszusagen, sondern grub ein Loch in die Erde, und sagte ganz sachte in dasselbe: Der König Midas hat Eselsohren: scharrete damit die Grube wieder zu. Allein, bald darauf wuchsen aus derselben ein Haufen Schilfröhre, welche, wenn sie von dem Winde beweget wurden, mit ihrem Geräusche eben die Worte wieder hören ließen, und also die Sache allen und jeden kund machten. Ovid. l. c. v. 146. Hygin. l. c. itemque Lycophron. v. 1401. & ad eum Tzetz. l. c. Indessen aber wollen auch einige, daß ihn Apollo mit dergleichen Ohren bestrafet, weil er dessen Esel beschimpfet; oder, weil er ihn selbst beleidiget, so soll er ihn gar in einen Esel verwandelt haben. Scbol. Aristoph. ad Plut. v. 287. In dem Tempel des Apollo zu Delph befand sich sein königlicher sehenswerther Stuhl, worauf er saß, wenn er Gericht hielt, und welchen er dahin geschenket hatte. Herod. Clio I. c. 14. Dieß Geschenk ist irrig zu einer kostbaren goldenen Kette gemacht worden. Ban. Erl. der Götterl. III B. 686 S. Es werden auch seine Gärten gerühmet, in welchen unvergleichlich schöne Rosen ohne Wartung gewachsen. In eben diesen Gärten soll denn Silenus seyn gefangen genommen worden. Herod. Vran. VIII. c. 138. Er zog sich endlich durch vieles Ochsenbluttrinken den Tod zu. Strabo l. I. p. 61. Dieses that er, sich von den schweren und ängstlichen Träumen zu befreyen womit er öfters geplaget wurde. Plut. desuperstit. p. 168. T. II. Opp.
4 §. Eigentliche Historie. Er war allerdings ein König in Lydien, der ums Jahr der Welt 3647 regieret. Calvis. Chronol. ad Ann. cit. p. 182. Cf. Iustin l. XI. c. 7. §. 14. Er war dermaßen aufs Geld erpicht, daß er Korn, Wein, und alles verkaufte, was nur Geld galt; daher denn gedichtet worden, als ob er alles in Gold verwandelt habe. Ban. Erl. der Götterl. III B. 686 S. Wie er aber darauf den Paktolus in viele Kanäle zerschneiden, und also ins Land leiten ließ, um solches damit desto fruchtbarer zu machen, so gieng sein Gold und Reichthum wieder darauf; daher gedichtet worden, er habe seine goldmachende Kraft in solchem Flusse abgewaschen. Banier Entret. XX. ou P. p. 307. Indessen soll er erst in Europa gewohnet, und König der Briger gewesen seyn, hernach aber mit selbigen nach Asien übergegangen, und das Land Mysien, seine Unterthanen aber für Briger Phryger genannt haben. Conon. Narrat. I. Er soll von dem Orpheus zu den heiligen Geheimnissen seyn eingeweihet worden und die Religion in Phrygien verbessert haben. lust. l. XI. c. 7. Man muthmaßet daher, daß Midas etwan ein fremdes Thier bey dem Brunnen gefangen und solches für den Silen ausgegeben, von welchem er Unterricht zur Einrichtung seiner Regierung und des Gottesdienstes erhalten, so wie Numa solchen von der Egeria zu bekommen vorgab. Perizon. ad Aelian. V. H. III. 18. 2. Da er jederzeit viele Kundschafter gehalten, die ihm alles zugetragen, was sie weit und breit gehöret, so hat man gedichtet, daß er lange, oder gar Eselsohren gehabt habe. Conon. Narrat. I. & Schol. Aristoph. ad Plut. v. 287. Einige wollen, es hätten zwey Bergkastelle in Phrygien den Namen gehabt; daß sie wegen ihrer Gestalt die Eselsohren genannt worden. Weil sich nun in denselben viel Räuber aufgehalten, Midas sie aber weggenommen, so habe man gesagt, daß er zwey Eselsohren habe, und mithin die Schlösser ihrer Namen wegen endlich für wirkliche Ohren angenommen. Tzetz. ad Lycophr. v. 1401. Noch andere sagen, er habe in der That so große Ohren gehabt, daß sie mehr ein Paar Esels- als Menschenohren gleich gewesen. Jedoch meynet man auch, daß man ihm nur solche deswegen zugeschrieben, weil er eben so ein seines Gehör gehabt, als dieses Thier. Schol. Aristoph. l. c. Sonst wollen auch einige, daß er seinen großen Reichthum aus den Bergwerken echoben; Scepsius ap. Strab. l. XIV. p. 680. daß ihn Karanus in Macedonien gezwungen, sein Vaterland zu verlassen; Iustin. l. VII. c. 1. §. 11. & ad eum Vossius l. c. und daß er endlich bey dem Einfalle der Cimmerier sich selbst mit einem Trunke Ochsenblute hingerichtet habe. Herodot. ap. Abel. l. c.
5 §. Anderweitige Deutung. Er stellet unter andern einen Menschen vor, der Gott um etwas bittet, ohne daß er recht bedenket, ob es ihm auch nützlich und gut sey; Max. Tyr. Diss. 30. wie nicht weniger einen, der von einer Sache urtheilet, von der er doch nicht mehr, als ein Esel, versteht. Nat. Com. l. IX. c. 15. So zeiget seine Historie auch, daß die unersättliche Begierde nach Golde und Gelde elender, als die Armuth selbst, sey. Omeis Mythol. in Midas p. 158.
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