Themis

Themis

THEMIS, ĭdos, Gr. Θέμις, ιδος, ( Tab. I. II. & X.)

1 §. Namen. Diesen leiten einige von dem Griechischen θέω, ich setze, verordne, her; andere aber von dem phönicischen Worte them, aufrichtig, redlich, daß Themis dem nach so viel, als Aufrichtigkeit, Redlichkeit, heißt. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 901.

2 §. Aeltern. Der Vater war Cölus und die Mutter Tellus, oder die Erde, und sie also eine der Titaniden, wovon die übrigen Tethys, Rhea, Mnemosyne, Phöbe, Dione und Thia waren. Apollod. l. I. c. 1. §. 3. Jedoch geben auch einige sie für des Helius, oder der Sonne Töchter an. Tzetz. ad Lycophr. v. 129.

3 §. Gemahl und Kinder. Sie suchte der Heurath mit dem Jupiter zwar auf alle Art zu entgehen, wurde aber doch endlich durch ihre ἴχνη, oder Fußstapfen verrathen, und bey der da her benannten Stadt, Ichnäa, in Macedonien, eingeholet. Stephan. Byz. in Ἴχναι. Cf. Potter. ad Lycoph. v. 129. Hier soll er sie denn zu seiner andern Gemah linn genommen haben. Voss. Theol. gent. l. VIII. v. 13. Sie zeugete also mit ihm die Horen, Eunomia, Dice, und Irene, imgleichen die drey Parcen, Klotho, Lachesis und Atropos. Hesiod. Theog. v. 901. Jedoch wollen einige diese letzteren keinesweges für deren Töchter gehalten wissen. Cleric. ad Hesiod. l. c. v. 904.

4 §. Wesen und Verrichtung. Man hält sie für die Göttinn der Gerechtigkeit, oder auch dessen, was recht und ehrlich ist. Sie ist also an sich das Gesetz, welches Gott der Welt vorgeschrieben hat. Voss. Theol. gent. l. VIII. c. 13. Einige meynen, daß sie die Menschen insonderheit das bitten lehre, was sich gezieme; Festus l. XVIII. p. 568. noch andere, daß sie mache, daß Verträge und Bündnisse unter den Menschen gestiftet und gehalten werden. Phurnut. de N.D. c. 17. p. 177. Desgleichen machet man sie zur Göttinn der Gerechtigkeit bey den Göttern, wie die Dice bey den Menschen. Phavorin. ap. Gyrald. Synt. XV. col. 449. Jupiter bedienet sich daher ihrer, die Götter zusammen zu berufen, wenn ein Endurtheil wider die Ungerechten zu fällen ist. Hom. Il. Υ. 4. Sie soll den Menschen zuerst die Kunst zu wahrsagen, die Ceremonien des Gottesdienstes, die Gesetze und alles, was zur Rechtsprechung und Unterhaltung des Friedens dienet, gewiesen haben. Daher hält man sie für die Erfinderinn der Orakel. Diod. Sic. l. V. c. 67. p. 232. Sie besaß auch zuerst das zu Delphen. Orpheus Hymn. 78. v. 3. Apollo aber verdrang sie von da; weswegen denn ihre Mutter, aus Unwillen darüber, dessen Aussprüche durch allerhand nächtliche wahrsagende Träume zu vereiteln suchete. Euripid. Iphig. in Taur. 1259. Jedoch meldet man auch, sie habe dieß Orakel zuerst gemeinschaftlich mit dem Neptun besessen, und ihr Antheil darauf dem Apollo geschenket, welcher denn auch Neptuns seines durch Tausch an sich gebracht. Pausan. Phoc. c. 5. p. 617. Dergleichen Orakel hatte sie auch schon vor dem Deukalion an dem Cephisus, in Böotien, woselbst er sie eben um Rath fragete, wie er das menschliche Geschlecht wieder fortpflanzen sollte, nachdem alles in der von ihm benannten Wasserfluth umgekommen war. Ovid. Metam. I. v. 309. Sie hielt auch den Jupiter und Neptun von ihrer Liebe gegen die Thetis dadurch zurück, daß sie ihnen prophezeyete, es würde deren Sohn großer werden, als sein Vater. Pindar. Isth. Od. VIII. 67. Apollon. l. IV. 791.

5 §. Bildung. Man bildete sie, wenn sie die Gerechtigkeit vorstellen sollte, in jungfräulicher Gestalt, von einem ernsthaften und furchtbaren Ansehen, mit hellen und scharfsichtigen Augen, und einer gewissen ehrwürdigen Traurigkeit, die aber weder etwas niederträchtiges, noch auch etwas unfreundliches und rauhes an sich hatte. Chrysipp. ap. A. Gell. N. A. l. XIV. c. 4. Einige meynen, daß sie als ein viereckichter Stein, oben mit einem Frauenzimmerkopfe von gar annehmlicher Gestalt, und theils aufgebundenen, theils in zwoen Locken über den Rücken herab hangenden Haaren gebildet worden. An diesem Steine waren unten wiederum drey andere kleinere Personen gebildet, welche die Horen bedeuten sollten, und lange Kleider, mit einem kurzen Oberkleide, Hauben auf den Köpfen, Gürtel um den Leib und Socken an den Füßen hatten. Steph. Pigh. ap. Voss. Theol. gent. l. VIII. c. 13. Man hat überaus wenige oder gar keine alte Denkmäler mehr von ihr. Indessen soll sie es doch seyn, die man auf einem brescianischen Denkmaale gefunden und für die Glücksgöttinn ausgegeben hat. Rossi Memorie Bresciane p. 40. Sie stellet eine sitzende Person von jungfräulicher Gestalt vor, deren Haupt mit Lorbern bekränzet ist und einen stralenden Schein um sich hat. In der rechten Hand hält sie einen Zepter, und mit dem linken Arme, um welchen sie auch zween Lorberkränze trägt, stützet sie sich auf ein großes Gefäß, oder stemmet vielmehr den Ellbogen etwas hinein. Zu ihrer Rechten hat sie ein Rad, und vor demselben und ihren Füßen liegt ein offener Zirkel. Montfauc. Supplem. aux Ant. expl. T. I. pl 86. p. 238. Es sieht aber vieles daran zu neu aus, als daß man es für ein recht altes Denkmaal halten könnte. Sonst will man sie auch auf einem geschnittenen Steine finden, wie sie noch das Orakel zu Delphen hat. Eine junge Frauensperson sitzt auf einem Steine, in der Gestalt als ob sie weinete, oder wie man lieber will, schliefe, indem sie den gesenkten Kopf auf die rechte Hand geleget, welche mit einem gefaßten und erhobenen Theile ihres Gewandes auf dem hängenden linken Arme liegt, der aber von etwas unterstützet zu seyn scheint. Vor ihr steht ein Dreyfuß mit dreyen Sphinxen oben darauf auf einem Altare, an welchem drey kleine Figuren zu sehen sind, die vermuthlich ihre Töchter, die Horen, vorstellen sollen. Winkelman. Monum. ant. n. 44. p. 55.

6 §. Verehrung. Es hat uns das Alterthum sehr wenig davon aufbehalten. Nur weis man, daß sie zu Athen einen Tempel gehabt hat. Pausan. Att. c. 22. p. 38. Dergleichen hatte sie auch zu Theben mit einer Bildsäule von weißem Marmor. Id. Bæot. c. 25. p. 578. Zu Trözene aber verehrete man so gar viel Themides, denen Pittheus einen Tempel erbauet hatte. Id. Cor. c. 31. p. 144. Es war ihr auch zu Olympia ein Altar errichtet; Id. Eliac. prior. c. 14. p. 314. wie sie denn noch anderwärts mehr verehret worden. Man soll auch ihr Bild neben diejenigen gestellet haben, die dem Volke etwas vortrugen, sie dadurch zu erinnern, daß sie nichts redeten, als was recht und billig wäre. Gyrald. Synt. XV. p. 449.

7 §. Eigentliche Beschaffenheit. Man hält sie für eine wirkliche Prinzessinn, welche ein Stück von Thessalien zu ihrem Antheile bekommen, und nach den damaligen Sitten zugleich das Amt hatte, die Gerechtigkeit darinnen zu handhaben. Weil sie nun die größte Rechtschaffenheit und Einsicht bey Verwaltung derselben bewies, so ehrete man sie nachher als die Göttinn der Gerechtigkeit. Man eignete ihr die Kunst zu weissagen zu, weil sie, wie die andern Titanen, der Sterndeuterey ergeben war. Da sie auch Jupiters Vaters Schwester gewesen, so soll sich ihr Liebeshandel mit demselben nicht recht schicken, sondern vielmehr der Carmenta zukommen. Ban. Erl. der Götterl. III B. 233 S.


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