- Typhon
TYPHON, ónis, Gr. Τυφὼν, ῶνος, (⇒ Tab. V.)
1 §. Namen. Diesen schreibt man bald Typhaon, bald Typhöus, bald auch wohl Typhos, Gr. Τυφῶς, und leitet ihn denn von dem griechischen Worte τύφειν her, welches soviel, als räuchern, oder entzünden, entflammen heißt. Voss. Etymol. in Typhus. & Schmid. ad Pindar. Pyth. Od. I. A. 7. p. 38. Andere führen ihn von dem phönicischen Touph, überschwemmen, ersäufen, her, weil Typhon, als ein Wind, die Schiffe zu versenken pflege. Cleric. ad Hesiod. Theog. v. 306. Noch andere geben ihm zum Stammworte τύφος, welches so viel, als Stolz, heißt. Plutarch. de Isid. & Osir. c. 2. p. 351. T. II. Opp. Er sollte aber billig am liebsten Typhoeus, oder Typhaon geschrieben und von dem nachfolgenden ägyptischen wohl unterschieden werden, mit dem er doch vielfältig vermenget wird, so wenig sie auch mit einander gemein haben. Iablonski Panth. ægypt. P. III. p. 41. 52. & c.
2 §. Aeltern. Seine Mutter war die Erde, welche, aus Rache gegen den Jupiter und die übrigen Götter, daß sie nicht nur die Titanen in die Hölle verstoßen, sondern auch die Giganten erleget hatte, es mit dem Tartarus hielt, und dieses Ungeheuer hervor brachte. Hesiod. Theog. 821. Apollod. l. I. c. 6. §. 3. Doch wollen auch einige, er sey von der Juno hergekommen. Etymol. ap. Muncker. ad Hygin. Fab. 152. Denn da Jupiter allein die Minerva gezeuget, so wollte sie auch dergleichen thun, und schlug daher mit der Hand auf die Erde, oder erschütterte sie, welche dadurch in große Bewegung gerieth. Juno blieb auf derselben, und gebar nach Verlaufe eines Jahres den Typhaon, welchen sie hernach einem Drachen aufzuziehen übergab. Homer. Hymn. in Apoll. v. 306. Nach einer andern Sage, welche diese beyden Erzählungen gewisser Maßen vergleichen soll, stiftete die Erde, aus Verdrusse über den Untergang der Riesen, Uneinigkeit zwischen dem Jupiter und der Juno. Diese klagete dem Saturn ihr Leid, und der gab ihr zwey Eyer, die sie auf die Erde legen sollte. Er prophezeyete ihr dabey, es würde aus ihnen ein Wesen kommen, welches den Jupiter vom Throne stoßen könnte. Sie legete also dieselben noch in vollem Unwillen auf dem Berge Arimäus in Cilicien nieder. Unterdessen versöhnete sie sich wieder mit dem Jupiter, und offenbarete ihm alles. So bald also Typhaon zum Vorscheine kam, so ergriff Jupiter seinen Wetterstral und blitzete auf denselben los. Eustath. ad Hom. Il. Β. p. 345.
3 §. Gestalt. Er war bis an die Hüften von menschlicher Gestalt und so groß, daß er über aller Berge Gipfel hinweg zu ragen schien, und er oft mit dem Kopfe an die Sterne stieß. Mit einer Hand reichete er bis an den Morgen, und mit der andern bis an den Abend. Aus diesen Händen giengen hundert Drachenköpfe hervor. An den Hüften hatte er große Ringel von Ottern, welche sich mit ihren Kreisen bis an den Wirbel des Kopfes hinauf wanden, und ein entsetzliches Gezisch macheten. Am Leibe war er mit Federn bedecket, am Kopfe aber hatte er häßliche Haare, am Munde einen großen fürchterlichen Bart, und bey dem allen ganz feurige Augen. Apollod. l. I. c. 6. §. 3. Einige lassen ihm aus den Schultern gleich die hundert Drachenköpfe hervor wachsen, welche das fürchterliche Geheul verursachten, und aus jedem Rachen spye er Feuerflammen. Hesiod. Theog. 823. Hygin. Fab. 152. & Schol. Aristoph. ad Nub. v. 335. Nach andern hatten solche die Gestalten aller wilden Thiere; Schol. Aeschyl. ap. Muncker. ad Hygin. l. c. er selbst aber hatte Flügel auf dem Rücken. Anton. Liberal. c. 28. Cf. Manil. Astron. poet. 582.
4 §. Aufenthalt. Er wurde zwar in Sicilien geboren, Apollod. l. I. c. 6. §. 3. allein doch in Lydien, oder auch Phrygien, auferzogen. Nat. Com. l. VI. c. 22. p. 645. Nach andern war er in Cilicien geboren, und wurde in Sicilien bestrafet. Schol. Aeschyl. ad Prometh. vinet. 351. Er hielt sich aber ordentlicher Weise in einer Höhle in Cilicien auf. Pindar. Pyth. I. 32. Diese hieß von ihm daher auch Typhoneum, war durchaus finster, und litt nichts lebendiges, sondern tödtete alles, was nur hinein kam. Pomp. Mela l. I. c. 13.
5 §. Thaten. Er forderte den Jupiter ordentlich heraus, mit ihm um die Herrschaft zu kämpfen. Hyg. Fab. 152. Darauf stürmete er mit glüenden Steinen auf den Himmel los, und machete ein gräuliches Geschrey dabey. Er spye ein grausames Feuer aus dem Halse; und da er also nach dem Himmel zu stieg, so nahmen endlich alle Götter ihre Flucht nach Aegypten zu. Weil er aber dicht hinter ihnen drein war, so verwandelten sie sich aus Furcht in allerhand Thiere, damit sie desto sicherer vor ihm wären. Apollod. l. I. c. 6. §. 3. Jupiter wurde demnach ein Widder, Apollo ein Rabe, Bacchus ein Ziegenbock, Diana eine Katze, Juno eine Kuh, Venus ein Fisch, und Aurora eine Ibis. Ovid. Metam. V. v. 327. Mars verwandelte sich auch in einen Fisch, Herkules in ein Reh, Vulcan in einen Ochsen, Latona in eine Wiesel, u.s.w. Anton. Liberal. c. 28. Gleichwohl schlug Jupiter auch mit dem Blitze nach ihm, und, als er ihm dessen ungeachtet auf den Hals kam, so erschreckete er ihn mit seiner diamantenen Sichel, daß er sich auf die Flucht begab, da ihn denn Jupiter bis an den Berg Kasius verfolgete. Hier wurden sie handgemein, weil Jupiter glaubete, daß Typhon, wegen empfangener Wunde, sich nicht recht mehr würde wehren können. Allein, dieser umwickelte ihn mit seinen Schlangen, und bemächtigte sich seiner. Sieh Iupiter. 6. §. So bald solcher aber nur wieder frey und zu Kräften gekommen war, so griff er den Typhon aufs neue an und verfolgete ihn mit seinen Blitzen bis an den Berg Nysus. Apollod. l. I. c. 6. §. 3. Man will von diesem Kampfe noch einige Vorstellungen auf geschnittenen Steinen finden. Auf einem derselben steht Jupiter auf einem vierspännigen Wagen, und will gleich seinen Donnerkeil auf den Typhon schleudern, der sich mit einem Baumaste gegen ihn wehret. Gorii Mus. Flor. T. I. t. 57. n. 7. p. 108. Auf einem andern ähnlichen Steine hat Typhon Flügel auf dem Rücken. Lipperts Dactyl. I Taus. 27 N. Von Nysus kamen sie mit einander nach Thracien und von neuem an dem Berge Hämus in ein scharfes Gefecht, worinnen Typhon mit ganzen Bergen um sich warf, Jupiter aber mit seinen Blitzen auf ihn los stürmete. Als er darauf seine Flucht durch das sicilianische Meer nehmen wollte, so warf Jupiter endlich den Berg Aetna auf ihn. Apollod. l. c. Dieser soll denn eben daher noch bis jetzo seine Feuerflammen ausspeyen. Hygin. Fab. 152. Zugleich wurde Vulcan zum Aufseher über ihn bestellet, der ihm denn seine Amboße auf den Nacken setzete. Anton. Liberal. l. c. Indessen wollen doch einige, daß die Insel Inarime auf ihn geleget sey. Virgil. Aen. IX. v. 716. & Schol. Apollon. ad l. II. v. 1215. Diese Meynung scheint aber daher entstanden zu seyn, weil man gefunden, daß er unter dem arimischen Boden, ἐιν ἀρίμοις, in Cilicien gelegen. Homer. Il Β. 783. Andere reden von der ganzen Insel Sicilien; Pindar. Pyth. I. v. 35. und zwar soll ihm das pelorische Vorgebirge auf dem rechten Arme, das pachynische auf dem linken, und das lilybäische auf den Beinen, der Aetna aber selbst auf dem Kopfe stehen. Ovid. Metam. V. 350. Einige wollen, Apollo hade ihn endlich mit seinen Pfeilen erschossen. Ap. Nat. Com. l. VI. c. 22. Andere sagen, er habe sich im serbonischen See verkrochen, nachdem er vom Jupiter auf dem kaukasischen Gebirge mit dem Blitze getroffen worden, welcher Ort davon den Namen des typhaonischen Felsen erhielt. Etymol. magn. in v. Τυφὼς. Apollon. l. II. v. 1219. & ad eum Schol. l. c. Von seinem vergossenen Blute soll derjenige Drache entstanden seyn, welcher das goldene Vließ in Kolchis verwahrete, wie nicht weniger alles Schlangengeschmeiß überhaupt. Aculasius ap. Nat. Com. l. c. & Apollon. l. c. v. 1212. Sonst soll sein Gefecht mit dem Jupiter, nach einigen, in der Landschaft Katacekaumene in Mysien, nach andern, in Cilicien, und nach den dritten, noch anderwärts geschehen seyn. Schol. Aristoph. ad Nub. v. 333. Man beschreibt auch dieses Gefecht und seine Aufreibung noch mit einigen andern und schildert es überaus fürchterlich. Jupiter brannte ihn mit seinen Wetterstralen alle die großen Köpfe hinweg, daß er verstümmelt zur Erde fiel und ein ganzer Flammenstrom von ihm floß, bis er endlich in den Tartarus hinabsank. Hesiod. Theog 856.
6 §. Frau und Kinder. Erstere von diesen war Echidna, des Phorcis Tochter, mit welcher er die Gorgone, den Cerberus, die Scylla, Chimära, Sphinx, lernäische Schlange, den hesperischen Drachen u.a. gezeuget. Hygin. Præf. p. 15. & ad eum Muncker. l. c.
7 §. Eigentliche Historie. Man will, daß er nichts weiter, als ein ungeheurer und schädlicher Drache gewesen, welcher in Syrien bey dem Flusse Orontes vom Donner erschlagen worden, da er sich in seine Höhle begeben wollen. Strabo l. XVI. p. 750. Er soll mit dem Enceladus einerley seyn; wie denn beyder Geschichte viele Aehnlichkeit haben, und ein Ueberbleibsel der wahren Religion von Lucifers Falle seyn sollen. Bochar. Chan. l. I. c. 28. Nach andern war er der König Og zu Basan, dessen in der heil. Schrift gedacht wird. Voss. de Theol gent. l. I. c. 26. Ueberhaupt hält man ihn für einen mächtigen Aufrührer wider den Jupiter, welcher verursachete, daß alle andere Fürsten und Herren denselben verließen, woraus denn die Flucht der Götter nach Aegypten vor ihm entstanden. Ihre Verwandlung in Thiere soll nichts anders sagen wollen, als daß sie auf Schiffen entflohen, welche dergleichen Thiere zu ihren Zeichen gehabt. Banier Entret. V. P. I. p. 102. Jedoch will man auch einen Kriegeszug aus Aegypten nach Kolchis und von da nach Palästina in dieser Geschichte finden. Boch. Phal. l. IV. c. 32. Ungeachtet aber dieser Typhaon oder Typhoeus von dem ägyptischen Typhon zu unterscheiden ist, so ist es dennoch sehr wahrscheinlich, daß dieser zur Erdichtung jenes Anlaß gegeben. Ban. Erl. der Götterl. II B. 144 S. u. Schleg. zu dems. 99 Anm.
8 §. Anderweitige Deutung. Da in dem untern Italien, Sicilien, den pithekusischen Inseln, und da herum, die ganze unterirdische Gegend voller Feuer und Schwefel ist, und, wenn denn die unterirdischen Winde hinein kommen, Erdbeben, Feuerausspeyen, Dampf und dergleichen verursachen, so hat man solches Unwesen zusammen Typhoum genannt, und vorgegeben, daß dergleichen entstehe, so oft sich dieses Ungeheuer einmal umwende. Strabol. V. p. 248. Andere hingegen hatten ihn bloß für ein Bild eines Aufrührers wider seinen rechtmäßigen Herrn. Dieser soll der Jupiter seyn, welcher den Unterthanen oft selbst Gelegenheit zum Aufstande giebt, wenn er, wie der, die Minerva oder Weisheit allein aus seinem Gehirne gebären will, Räthe und Stände aber zu nichts mit zieht. Diese suchen alsdann, wie Juno, auch etwas für sich hervor zu bringen, und das wird ein Typhöus, oder Aufrührer, da die vielen Köpfe des Ungeheuers die zertheilete Gewalt; der feuerspeyende Rachen das Toben und Wüthen; die eisernen Hände Morden und Todtschlagen; die krummen Adlersklauen das Rauben und Plündern; die Federn am Leibe die vielen Reden, Possen und Erzitterungen darüber bemerken. Indessen wird doch ein König und Herr oft gezwungen, Land und Leute zu verlassen, und sich die Nerven des Geldes und der Majestät verschneiden zu lassen. Jedoch erhalten sie solche auch wohl durch den Mercurius oder eine beredte Freundlichkeit wieder, suchen durch eine besondere That die Aufrührer in Furcht zu setzen, und gehen denselben bey glücklichem Fortgange weiter zu Leibe. Diese machen zwar wohl erst ein Schlangengezisch oder vergebliches Reden, ergreifen aber endlich die Flucht. Ist es nun einmal dahin gekommen, so ist es Zeit, sie mit dem Aetna, oder der ganzen Macht des Reiches, vollends zu unterdrücken. Baco Verulam. Sapient. Vet. c. 2. Jedoch verstehen unter ihm noch andere auch bloß den Hochmuth und die eitele Einbildung, Tzetz. ad Lycophr. v. 176. die aber dennoch endlich auch von Gott gestürzet und unterdrücket werden. Omeis Mythol. in Typhon, p. 259.
http://www.zeno.org/Hederich-1770.