- Vesta
VESTA, æ, Gr. Ἑστία, ας, (⇒ Tab. IX.)
1 §. Namen. Einige leiten den lateinischen Namen von vis, Gewalt, und stare, stehen, her, weil selbige, so fern sie die Erde bedeutet, mit Gewalt, oder fest steht. Ovid. Fast. VI. v. 299. Andere wollen ihr hingegen solchen von vestio gegeben wissen, weil sie, als die Erde, mit allerhand Dingen bekleidet sey. Isidor. ap. Voss. Etym. in Vestalis, p. 639. Die dritten führen ihn von dem griechischen Namen her. Cicer. de N.D. l. II. c. 27. p. 1181. h. & Voss. l. c. Man streitet aber ebenfalls darüber. wovon dieser herkomme. Einige sagen von ἑστάναι, setzen. Phurnut. de N.D. c. 38. andere von ἕυω, ich brenne, da sie so viel ist, als ἑυστία. Neapol. ad Ovid. l. c. Man meynet also, er könne am besten von dem ebräischen esch, Feuer, und Ja, Herr, hergeführet werden, daß sie also ein dem Herrn heiliges Feuer heiße. Voss. l. c. & Becmann. Orig. L. L. p. 473.
2 §. Aeltern. Ihr Vater war, nach einigen, Saturnus, und die Mutter Ops, Hygin. Præf. p. 10. oder Rhea Diod. Sic. l. V. c. 68. p. 232. Andere machen sie selbst zu Saturns Mutter, und nennen sie auch Pales. Posidonius ap. Nat. Com. l. VIII. c. 20. Man hat also zwo Göttinnen solches Namens, von denen die eine die Erde, die andere aber das Feuer vorstellet. Voss. Etymol. in Vestalis, p. 639. Beyde aber werden insgemein nur für eine genommen. Nat. Com. l. c.
3 §. Wesen und Thaten. Sie soll zuerst die Häuser erfunden haben Diod. Sic. l. V. c. 68. p. 232. Als Jupiter nach Vertreibung der Titanen, die Herrschaft im Himmel behauptete, so soll er ihr die Freyheit gegeben haben, zu wünschen, was sie gewollt. Sie bath sich hierauf zweyerley aus: erstlich, daß sie stets eine Jungfer bleiben dürfte, und sodann, daß ihr die Erstlinge von allen gebracht würden, was man opferte; welches Jupiter ihr auch beydes gewährete. Aristocrit. ap. Nat. Com. l. VIII. c. 20. p. 898. Indessen hätte sie doch Priapus beynahe im Schlafe dereinst überlauschet, wo nicht des Silenus Esel ungefähr an zu schreyen gefangen, und sie noch zu rechter Zeit aufgewecket hätte. Ovid. Fast. IV. v. 335.
4 §. Verehrung. Diese erwies man ihr fast in allen Häusern, und man pflegete ihr Bild darinnen aufzustellen, oder anzumalen, damit sie solche und deren Einwohner beschützen möchte. Diod. Sic. l. c. Posid. ap Nat. Com. l. c. Bey den Römern stund es, oder wenigstens ein Altar für sie, in deren Vorräumen, die davon auch den Namen Vestibula führeten Eugraph. in Terent. Andr. Act. IV. Sc. 3. 11. Sie wurde aber bereits von den Trojanern, als eine der vornehmsten Göttinnen, verehret. Sidon. Apoll. carm. IX. 172. Von dar brachte Aeneas ihren Dienst mit nach Lavinium. Von Lavinium kam er nach Alba Longa. Voss. Theol. gent. l. II. c. 65. Endlich führete ihn Numa Pompilius zu Rom ein. Dionys. Halic. l. II. c. 8. p. 125. Liv. l. I. c. 20. & Plutarch. in Numa c. 14. p. 66. Wenigstens war ihr Dienst lange vor der Erbauung der Stadt Rom bey den Tyrrhenern üblich, bey denen sie aber Labith Horchia soll geheißen haben. Myrsilus Lesbius ap. Rosin. A. R. l. II. c. 12. Jedoch, da ihr Namen ebräisch, oder auch chaldäisch ist: Huet. D. E. Prop. IV. c. 13. §. 5. & Anonym. ad Nat. p. 103. so steht nicht zu zweifeln, daß ihr Dienst selbst aus dem Morgenlande gekommen, und eine Nachäffung des immerwährenden Feuers in der Stiftshütte gewesen. Alex. ab Alex. l. V. c. 12. & ad eum Tiraquell. l. c. Es war aber solcher nirgends ausnehmender, als zu Rom; und es soll schon Romulus denselben eingeführet haben. Denn da seine Mutter selbst zu Alba Priesterinn dieser Göttinn gewesen, so wird er deren Dienst in seiner neuen Republik nicht haben vergessen wollen. Indessen hat doch Numa Pompilius ihr zuerst ihren Tempel errichtet, und die sogenannten vestalischen Jungfern geordnet. Dion. Halic. l. c. Es lag aber dieser in der achten Region, zwischen dem Capitolio und Palatio. Id. ib. & Nardin. l. V. c. 5. Er war rund von Gestalt, enthielt weder Bildsäule, noch sonst etwas, als das heilige Feuer und eine Erdkugel, die in der Mitten hieng, die Erde mit ihrer Lage gegen den Himmel vorzubilden. Ovid. Fast. VI. v. 269. Cnipping. ad eumd. v. 277. Einige halten ihn für die jetzige Kirche der heil Maria, der Befreyerinn; Fulv. Vrsin. ap. Alex. Donat. l. II. c. 17. andere aber für die Kirche des heil. Stephanus. Blondus ap. Nardin. l. c. Jedoch wollen auch einige von zwoen Tempeln dieser Göttinn wissen, deren einer die jetztbesagte St. Stephanuskirche, der andere aber die jetzige Kirche di S. Maria della Gratie sey. Franzini nella Roma antica p. 326. & Merula Cosmogr. P. II. l. IV. c. 22. p. 492. & 494. Was ihren Dienst anbetraf, so mußte solcher von lauter reinen Jungfern versehen werden. Wenn eine darunter während ihres Priesterthums mit einem Manne etwas zu thun hatte, so wurde derselbe zu Tode gepeitschet, sie aber in ein unterirdisches Gewölbe gelassen, und also le bendig begraben. Plutarch. in Numa c. 16. p. 67. T. I. Opp. & Quæst. Rom. 96. p. 286. T. II. Dion. Hal. l. c. Dagegen genossen sie für ihre Dienste die größte Ehre und allerhand andere Vortheile. Dempster. ad Rosin. l. II. c. 12. p. 148. Ihre Verrichtung kam hauptsächlich darauf an, daß sie Sorge trugen, damit das heilige Feuer nicht ausgehen möchte. Wenn es eine versah, und unter ihrer Aufsicht solches auslöschen ließ, so wurde sie dafür von dem Oberpriester mit Ruthen gestrichen, wozu sie den entblößeten Hintern durch eine dünne Wand stecken mußte. Das Feuer wurde darauf an der Sonne wiederum angezündet. Alex. ab Alex. l. c. & ad eum Tiraquell. & Coler. l. c. Sonst pflegete man dasselbe alle Jahre den ersten März wieder zu erneuern. Ovid. Fast. III. 143. Macrob. Saturn. l. I. c. 12. p. 242. Die Vestalinnen aber mußten von dem Tage ihrer Erwählung an, dreyzig Jahre lang bey der Göttinn aushalten. Die ersten zehn Jahre lerneten sie deren Dienst, die andern zehn Jahre verrichteten sie denselben, und in den dritten unterwiesen sie andere darinnen. Nach deren Verlaufe konnten sie eine andere Lebensart ergreifen, und sich verheurathen. Anfänglich waren nur ihrer vier; hernach kamen noch zwo dazu. Plutarch. in Num. p. 66. Cf. Dempster. l. c. Dieß erläutert eine hernach angezeigte Münze vortrefflich. Es brannte das Feuer aber auf keinem Altare, sondern in aufgehängten irdenen Gefäßen. Valer. Max. l. IV. c. 4. Zu ihrem Dienste taugete nur das Wasser aus dem Numicus. Serv. ad Virg. Aen. VII. v. 150. An ihrem Feste, welches in dem Junius einfiel, wurden die Mühlen und Mülleresel mit Brodten und Kränzen behangen. Ovid. l. c. v. 311. Ihr waren die Vorräume oder Eingänge der Häuser gewidmet, und die Eichen geheiliget. Voss. Theol. gent. l. IX.
5 §. Bildung. Die ältere Vesta wurde als ein altes Frauenzimmer gebildet, mit einem kleinen Kinde im Schooße, welches Jupiter seyn sollte, für dessen Wärterinn sie angegeben wird. Albric. Gent. de Imag. Deor. c. 17. Man stellete sie auch mit einer Trommel vor, wovon sie die Erde, die Trommel aber die Winde bedeutet. Suidas in Γῆς ἄγαλμα, T. I. p. 481. Von der jüngern Vesta aber soll sich kein Bild gefunden haben, oder wenigstens keines in ihrem Tempel zu sehen gewesen seyn Ovid. Fast. VI. v. 295. Gleich, wohl findet man ihren Tempel oftmals auf Münzen, mit einem Bildnisse darinnen, welches vermuthlich ihres ist. Biæi & Croyac. numis. Imp. t. 20. n. 17. t. 31. n. 21. Auf einer, wo vier erwachsene Vestalinnen, nebst zwoen kleinen um einem brennenden Altare stehen, und zwo davon den Dienst verrichten, steht sie hinter dem Altare. Angeloni histor. aug. p. 244. n. 49. Desgleichen auf einer andern, wo nur eine opfert. Beger. Thes. Brand. T. II. p. 696. Ihr Kopf auf den Münzen ist allezeit geschleyert, und hat zuweilen eine brennende Lampe oder dergleichen Fackel bey sich. Id. ib. p. 546. & 597. Auf einer Münze des Kaisers Vitellius sitzt sie auf einem Throne, und hält in der rechten Hand eine Opferschale, in dem linken Arme aber liegt ihr die brennende Fackel. Id. p. 629. An statt derselben hat sie öfters ihren Zepter in dem Arme, und in dem rechten ein Palladium; Id. ib. p. 638. oder auch wohl eine brennende Lampe, und so kömmt sie bald sitzend, bald stehend vor. Du Choul de la Rel. des anc. Rom. p. 215. Mit dem Palladio und ihrem Zepter sieht man sie auch auf einem geschnittenen Steine, zwischen der Venus und dem Mercurius sitzen, die auf ihren beyden Seiten stehen. Maffei gem. ant. P. II. t. 76. Sie ist aber allezeit als eine ehrbare Matrone gekleidet, und meistentheils geschleyert. Dieser Schleyer ist sehr groß, und geht ihr weit über den Rücken hinunter, wie man noch aus einer schönen Bildsäule erkennet, welche sie mit ihrem Zepter, als einem Pilgerstabe, in der linken Hand, und einem Diadem auf dem Kopfe unter dem Schleyer vorstellet. Montf. Suppl aux. Ant. expl. T. I. pl. 22. Ein altes Denkmaal, welches ihr die Becker gewiedmet haben, stellet sie fast wie die Cybele vor, mit einer Mauerkrone und dem Schleyer. Sie sitzt auf einem Throne, neben welchem an der linken Seite eine Mühle mit einigen Kornähren unter dem Steine ist. In dem linken Arme hat sie ihren Zepter, und mit der rechten Hand hält sie eine Schale, aus welcher eine Schlange frißt, die sich unter ihrem Throne herauf windet. Montfauc. Ant. expl. T. I. P. I. pl. 27. Dieß alles zeiget, daß man die ältere und jüngere Vesta sehr oft vereiniget, und in einem Bilde dargestellet. Voss. Theol. gent. l. IX. c. 22.
6 §. Deutung. Daß sie theils die Erde, theils das Feuer vorstellet, wird von einigen gar weitläuftig erwiesen. Voss. Theol. gent. l. II. c. 65. Es saget es aber schon Ovidius in zwoen Zeilen ausdrücklich. Fast. VI. 267. So fern sie mit der Cybele einerley seyn soll, so machet man eine ehemalige wirkliche Prinzessinn aus ihr Ban. Entret. VIII. ou P. I. p. 218. Man zeiget aber nur seinen Witz, wenn man sie mit dem Adonis, dem Attys, Bacchus und Priapus, und diese mit dem Moses für einerley hält. Huet. D. E. Propos. IV. c. 10. §. 3.
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