Atrêvs

Atrêvs

ATRÊVS, ei, Gr. Ἀτρεὺς, εως, ( Tab. XXX.)

1 §. Aeltern. Sein Vater war Pelops, des Tantalus Sohn, seine Mutter aber die Hippodamia, eine Tochter des Oenomaus. Hygin. Fab. 84. Cf. Mezir. Com. sur les ep. d'Ovid. T. II. p. 253.

2 §. Schicksal und Thaten. Weil sein Vater, nebst der Hippodamia, auch noch seine Buhlschaft, die Axioche, hatte, und mit ihr den Chrysippus zeugete, so stiftete Hippodamia diesen Atreus, mit seinem Bruder, dem Thyestes, an, daß sie solchen Chrysippus aus dem Wege räumeten. Allein, als es Pelops erfuhr, so mußten sie nebst der Hippodamia sich aus dem Lande begeben, Hygin. Fab. 85. & ad eum Munck. l. c. Atreus machte sich zu dem Eurystheus nach Argos, dessen Tochter, Aerope, er denn heurathete; und, da Eurystheus in der Schlacht mit den Atheniensern umkam, so erhielt er auch dessen Königreich. Es folgete ihm aber sein Bruder, Thyestes, hieher nach, und wurde mit der Aerope endlich so vertraut, daß sie dem Atreus ziemliche Hörner aufsetzeten. Allein, so bald es Atreus merkete, jagete er den Thyestes von sich, der aber aus Rache des Atreus Sohn, Plisthenes, welchen. er für seinen Sohn auferzogen hatte, anstiftete, seinen Bruder aus dem Wege zu räumen. Weil aber Atreus glaubete, daß solcher des Thyestes Sohn sey, so kam er ihm zuvor, und ließ ihn selbst niedermachen. Hygin. Fab. 86. Indessen wollen doch einige lieber, die Feindschaft unter diesen beyden Brüdern sey daher entstanden, daß Atreus ein Schaf mit goldener oder purpurfarbener Wolle gehabt habe. Tzetzes Chiliad. hist. 18. Dieses suchete ihm Thyestes vermittelst der Aerope zu entführen, und daher entstund ihr vertrauter Umgang. Atreus aber kam noch bey Zeiten dahinter, und verjagete also den Thyestes. Boccacc. L. XII. c. 5. Nach diesem stellete er sich, als habe er den empfangenen Schimpf vergessen, und lockete den Thyestes wieder zu sich. Als solcher sich aber einfand, so nahm er seine Söhne, Tantalus und Plisthenes, Hygin. Fab. 88. oder, nach andern, den Aglaus, Orchomenus und Kalaus, Schol. Eurip. ap. Muncker. ad Hygin. l. c. schlachtete sie ab, und ließ sie theils kochen, theils braten, und also dem Vater vorsetzen: oder, wie andere melden, in vergifteten Gerichten auftragen. Pausan. in Corinth. p. 115. Da nun dieser unwissend, was es für ein Essen sey, ein gutes Theil davon verzehret, auch selbst deren Blut in dem Weine mit eingeschlucket hatte: so ließ er ihm der Kinder Arme und Köpfe auch vorsetzen, worüber denn die Sonne erschrack, daß sie mit ihrem Wagen wieder zurück fuhr, Thyestes aber sich flüchtig davon und zum Könige Thesprotus machete. Als aber des Atreus Lande seiner Grausamkeit wegen auch eine große Dürre und Theurung befiel, und, da er das Orakel um Rath dagegen fragete, so wollte solches, daß er den Thyestes wider zurück fordern sollte. Er gieng auch in solcher Absicht zu dem Thesprotus; und als er daselbst die Pelopia antraf, und meynete, daß sie des Königs Tochter sey, so bath er sich solche zur Gemahlinn aus. Es stund sie ihm auch Thesprotus willig zu, ungeachtet sie nicht seine, sondern selbst des Thyestes Tochter war. Weil sie von diesem ihrem gottlosen Vater unbekannter Weise zu Falle gebracht worden, so setzete sie das von ihm habende Kind, Aegisthus, hinweg. Atreus aber war doch so gütig, und ließ es wiederbringen, und an seinem Hofe vollends auferziehen. Pausan. l. c. Als immittelst Agamemnon und Menelaus den Thyestes auch ausgespüret, und zu dem Atreus gebracht hatten, so ließ er solchen in das Gefängniß setzen, schickete auch den Aegisthus, als seinen vermeynten Sohn ab, diesen seinen Feind umzubringen. Allein, als Thyestes das Schwert in des Aegisthus Hand sah, so fragete er, woher er solches bekommen hätte. Dieser antwortete, es hätte es ihm seine Mutter, Pelopia, gegeben. Er ließ darauf solche herbey rufen, da es sich denn fand, daß es das Schwert war, welches sie dem Thyestes genommen, als er sie vormals überfallen hatte. Da sie nun hieraus die Schandthat erkannte, die sie unwissend begangen hatte, so stieß sie sich selbst solches dafür durch das Herz. Aegisthus aber zeigete es so blutig dem Atreus, und erwies damit gleichsam, daß er den Thyestes umgebracht habe. Dieser hatte seine Freude darüber: allein, da er am Ufer des Meeres opferte, so stieß ihn Aegisthus auch damit darnieder, und bemächtigte sich zugleich dessen Reiches. Hygin. l. c. & Auctor Argum. in Thyesten Senecæ.

3 §. Familie. Seine erste Gemahlinn war gedachter Maßen Aerope, des Eurystheus Tochter, die er aber, weil sie ihm nicht Farbe hielt, vermuthlich wieder von sich geschafft, wo nicht gar hinrichten lassen. Er nahm dagegen die Pelopia, an der er zwar eine gar gute Prinzessinn fand, aber mit ihr doch auch unglücklich war. Indessen hatte er mit der ersten Gemahlinn den Plisthenes gezeuget, und dieser hatte wieder den Agamemnon und Menelaus zu Söhnen. Weil aber deren Vater gar zeitig verstarb, so zog sie Atreus, als Großvater, auf, für dessen eigene Söhne sie denn daher auch gar oft ausgegeben werden. Dictys Cret. lib. I. c. 1. Eustath. ap. Fabram ad Dict. l. c. & Apollod. lib. III. c. 2. §. 2.

4 §. Bildung. Von ihm ist annoch eine alte Statüe zu Rom in dem farnesischen Pallaste zu sehen, da er nach der alten Weise ganz nackend, ohne daß er einen langen Talar auf dem Rücken hängen hat, vorgestellet wird, wobey er einen Lorber auf dem Haupte, in der Rechten einen Dolch, und auf der linken Achsel einen kleinen Knaben bey dem linken Beine also hält, daß solcher mit dem Kopfe unter sich auf dem Rücken hinab hängt. Lud. Smids Scena Troica Num. 1. §. 3 Sonst aber haben seine Thaten in besondern Tragödien vorgestellet Sophokles, Fabric. Biblioth. Gr. lib. II. c. 17. §. 3. Euripides, Id. ib. c. 18. §. 3. L. Accius, Id. Biblioth. Lat. l. IV. c. 1. §. 4. u.a. die aber alle verloren gegangen; hingegen giebt des Seneca Thyestes noch eine ziemliche Abschilderung von ihm.

5 §. Eigentliche Historie. Diese hat meist in allen ihre Richtigkeit, wie sie beygebracht worden, und wurde solcher Atreus, mit seinem Bruder, dem Thyestes, König zu Mycenen A.M. 2688. worauf sie A.M. 2729. die olympischen Spiele erneuerten, da Agamemnon endlich dem Atreus A.M. 2752 in der Regierung gefolget seyn soll, nach welchem derselbe allein auf 65 Jahre regieret haben, Calvis. Op. Chronol. p. 183. 184. 185. und folglich sehr alt gewesen seyn müßte, da ihn Aegisthus ermordet. Wenigstens gestehen doch auch andere beyden eine so lange Zeit ihrer Regierung zu. Petav. Rat. Temp. P. II. lib. 2. c. 8. Atreus war dabey nicht nur König zu besagten Mycenen; sondern auch in Sicyon, Korinth, Achaja, und so ferner. Abel. Histor. Monarch. lib. II. c. 1. §. 22. Der wahre Grund von der Erzählung, daß sich die Sonne vor des Atreus Grausamkeit entsetzet und verstecket habe, soll kein anderer seyn, als daß Atreus zuerst eine Sonnenfinsterniß entdecket, und sein Bruder Thyestes ihn deswegen beneidet, und Mycen verlassen habe. Hygin. Fab. 258. & Muncker. ad il. Eben so wird das Schaf mit dem goldenen Felle von einem besondern Schatze verstanden, welchen Atreus besessen hat. Boccac. l. XII. c. 5.

6 §. Anderweitige Deutung. Er giebt insonderheit ein Beyspiel eines grausamen Menschen, so daß von ihm auch das Sprichwort Ἀτρέως ὄμματα, Atrei oculi, so viel als ein schreckliches und grausames Gesicht bedeutete, und von einem gebraucht wurde, welcher dergleichen machte. Suid. in Ἀτρέως ὄμματα. s. T. I. p. 374.


http://www.zeno.org/Hederich-1770.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”