- Picvs
PICVS, i, (⇒ Tab. IX.)
1 §. Aeltern. Von diesen ist weiter nichts bekannt, als daß Saturn für seinen Vater angegeben wird. Virgil. Aen. VII. v. 49. Jedoch soll dieser eigentlich Sterces geheissen haben, und nur nach seiner Vergötterung Saturn seyn genannt worden. Ryckius de prim. Ital. colon. ap. Luc. Holsten. in Steph. p. 420.
2 §. Wesen und Schicksal. Er war ein König der Aboriginen, in Italien, Aur. Vict. de O. G. R. c. 4. und zwar der dritte in der Ordnung. Er kam im J.d.W. 2658 zur Regierung, und versah solche auf sieben und dreyzig Jahr. Calvis. Chronol. ad A.M. 2658. p. 82. Hierbey war er ein sonderbarer Liebhaber der Pferde, Ovid. Met. XIV. v. 321. & Virgil. Aen. VII. v. 189. und der Jagd, wie auch nicht minder von einer so guten Tapferkeit, als ganz besondern Schönheit, daher sich denn sowohl die Oreaden, als Najaden und andere Nymphen in ihn verliebeten. Zuförderst aber warf Circe ihre Augen auf ihn; und, da er sich dereinst auf einem muthigen Hengste auf die Jagd in den Wald begab, Circe sich aber auch daselbst befand, Kräuter zu ihren Zaubereyen zu suchen, so machte sie durch ihre Kunst ein wildes Schwein, ließ es vor dem Könige vorüber, und sodann in ein dermaßen dichtes Gebüsch laufen, daß ihm Picus zu Pferde nicht nachkommen konnte. Er stieg also ab, und gieng ihm zu Fuße nach, worauf sie alles vollends so finster um ihn machte, daß er nicht wußte, wo er war. Hier offenbarete sie sich ihm, und gab ihm ihre Liebe mit deutlichen Worten zu verstehen. Als er ihr aber durchaus kein Gehör geben wollte, sondern vielmehr sagte, daß er keine andere, als seine Gemahlinn, lieben wollte: so drehete sie sich zweymal gegen Morgen, und zweymal gegen Abend, murmelte einige Worte dazu und berührete ihn dreymal mit ihrem Stabe, da er denn in einen Specht, wie sein Purpurrock u. seine goldenen Schnallen, in Federn von dergleichen Farben verwandelt wurden. Er erstaunete dabey über sich selbst, konnte sich aber weiter nicht helfen, als daß er seinen Zorn an den Bäumen ausließ, und mit aller Gewalt mit seinem Schnabel in dieselben hackete. Eben so unglücklich gieng es hierbey seinen Leuten. Denn als sie ihn allenthalben suchten, an Statt seiner aber die Circe antrafen, so giengen sie ihr zu Leibe, und droheten, sie mit ihrem Gewehre nieder zu machen. Dieseaber nahm ihre Kunst gegen sie zu Hülfe, und, nachdem sie gemacht, daß die Bäume um sie herum erbleicheten, die Steine laut, das Gras hingegen blutig und alles voller Schlangen wurde, so erstarreten sie insgesammt vor Schrecken, wobey Circe sie mit ihrem Stabe berührete, und in wilde Thiere verwandelte. Ovid. l. c.
3 §. Gemahlinn. Diese war Canens, des Janus und der Venilia Tochter, welche nicht allein eine seltene Schönheit besaß, sondern auch im Singen ganz wunderbar war, und davon ihren Namen bekam. Ovid. Met. XIV. v. 334. Er liebete sie daher auch gar sehr, und wünschete, nur lange mit ihr zu leben. Id. ib. v. 372. Sie grämete sich dagegen über seinen Verlust dergestalt, daß sie endlich in Luft vergieng. Id. ib. v. 416. Sieh Canens. Indessen machen doch einige die Göttinn Pomona zu dessen Gemahlinn. Serv. ad Virg. Aen. VII. v. 190. Andere nennen die Circe so, welches jedoch nur in so fern anzunehmen, als sie wohl dergleichen gern seyn wollen, aber nicht wurde. Virgil. l. c. v. 189. & Cerda ad eumd. v. 190. Faunus soll dessen Sohn gewesen seyn; Virgil. l. c. v. 48. ob wohl nicht gemeldet wird, von was für einer Gemahlinn. Da er erst zwanzig Jahre alt gewesen seyn soll, als er in einen Specht verwandelt worden: Ovid. l. c. v. 324. so muß er wenigstens sehr jung geheurathet und alsdann auch nicht sieben und dreyzig Jahre regieret haben, wie andere melden.
4 §. Verehrung. Es setzete ihn zwar bereits Faunus mit unter die Götter: Lactant. Inst. l. I. c. 22. §. 9. man findet aber doch nicht viel von ihm, ob er gleich hernach jederzeit für einen der inländischen Götter gehalten wurde. Min. Felix Octav. c. 25. §. 8. Cyprian. de Idolor. Vanitate c. 2. §. 5. Augustin. de C. D. l. IV. c. 23. & Serv. ap. Coqueum ad Augustin. l. c.
5 §. Eigentliche Historie. Unterschiedene halten ihn allerdings für einen alten König in Latium. Euseb. Chron. ad A.M. 4020. p. 33. a. Cf. Hermann. Contractus ad A.M. 2818. Lactant. Inst. l. I. c. 22. §. 9. & Aur. Vict. de O. G. R. c. 4. Andere hingegen wollen, daß dergleichen König niemals in der Welt gewesen; Voss. Theol gent. l. I. c. 12. sondern alles, was von ihm gesagt werde, sich auf die Art eines Orakels des Mars bey den Sabinern gründe, da ein Specht auf einer hölzernen Säule den Fragenden die Antwort ertheilet. Dion. Halic. A. R. l. I. p. 12. Allein, ob es wohl gewiß ist, daß seine wahre Historie eine der dunkelsten ist: so scheint es doch nicht, daß er ganz aus der Zahl der Menschen auszumerzen sey. Banier Entret. VIII. ou P. II. p. 262. Dess. Erl. der Götterl. III B. 680 S. Seine vorgegebene Verwandelung gründet sich vermuthlich auf nichts weiter, als daß er ein guter Wahrsager gewesen, und sonderlich aufden Specht Acht gehabt habe. Serv. ad Virgil. Aen. VII. v. 190. Ja, da im Phönicischen Picca einen Wahrsager bedeutet, so will man, es sey daraus die ganze Fabel erdacht, und aus der Aehnlichkeit des Wortes mit dem Namen Picus ein König gemacht worden, der die Gabe gehabt, zukünftige Dinge zu verkündigen. Bochart. Can. l. I. c. 16.
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