Hecate

Hecate

HECĂTE, es, Græc. Ἑκάτη, ης, ( Tab. I.)

1 §. Namen. Diesen führen einige von ἑκὰς, fern, her, weil sie weit von uns entfernet sey; oder von ἑκατὸν, hundert, weil sie mit hundert Opfern mußte versöhnet werden; oder auch weil sie der unbegrabenen Seelen hundert Jahre abhielt, ehe sie über die höllischen Flüsse konnten geführet werden, oder von ihren hundert, d.i. vielen Tugenden. Voss. Etymol. in Seculum, s. p. 532. Allein, andere holen solchen Namen ihrer Gewohnheit nach wieder aus Phönicien, und leiten ihn von echatha her, welches so viel, als einzig heißt, als dergleichen sie, so fern sie den Mond bedeutet, am Himmel ist. Cleric. ad Hes. Theog. v. 411. Sonst soll sie auch Brimo, ingleichen Diana, Proserpina und Luna heißen. Barnes. ad Eurip. Helen. 575. Man sehe diese Namen an ihren Orten.

2 §. Aeltern. Nach einigen war sie eine Tochter des Perses und der Asteria, Hesiod. Theog. v. 409. Apollod. l. I. c. 2. §. 4. nach andern der Nacht, Bacchyl. ap. Nat. Com. l. III. c. 15. nach den dritten des Jupiters und der Asteria, Musæus ap. eumd. l. c. nach den vierten, des Aristäus, Pherecydes ibid. nach den fünften des Tartarus, Orpheus Argon. v. 975. oder auch des Jupiters und der Ceres, Schol. Theocr. ad Idyll. II. v. 12. und nach den sechsten selbst des Jupiters und der Juno, Id. ib. l. c. oder auch des Jupiters und der Pheräa, einer Tochter des Aeolus. Id. ibt ad v. 35.

3 §. Wesen. Als sie, nach einigen, von der Juno gebohren war, so bekam sie den Namen Angelus, und wurde von ihrem Vater Jupiter, den Nymphen übergeben, sie aufzuziehen. Da sie erwachsen war, so entführete sie ihrer Mutter die Büchse mit der Schminke, womit sie ihr Gesicht pflegte glänzend zu machen, und gab dieselbe der Europa, des Phönix Tochter. Juno wollte sie dafür bestrafen. Sie flüchtete sich aber erst zu einer Kindbetterinn, und von da unter einige Männer, die einen Todten trugen. Wie Juno damit abließ, sie zu verfolgen, so schickete Jupiter die Kabiren, sie wieder zu reinigen, welche solches denn an dem acherusischen Pfuhle thaten, worauf sie zu einer unterirdischen Göttinn und zwar insonderheit der Todten gemacht wurde. Sophron ap. Schol. Theocr. ad Idyll. II. v. 12. Andere hingegen, die sie für der Ceres Tochter angeben, sagen, sie sey von einer ungemeinen Größe und Stärke gewesen, und daher auch vom Jupiter unter die Erde mit abgeschickt worden, die verlorene Proserpina wieder zu suchen, da sie denn eine unterirdische Göttinn geblieben. Schol. Theocr. l. c. Allein, noch andere, die sie zu des Perses und der Asteria Tochter machen, wollen, es habe ihr Jupiter, weil sie ihm wider den Saturn beygestanden, eine Gewalt über Himmel, Erde und Meer verliehen; daher sie denen, die sie geziemend verehret, Reichthum, Ehre, Gewalt, Sieg und alles, was sie gewünschet, gegeben. Hesiod. Theog. v. 412–452. Allein, die sie zu Jupiters und der Pheräa Tochter machen, erzählen, ihre Mutter habe sie, nach ihrer Geburt, auf einen Scheideweg hingeworfen, wo des Pheres Hirten sie aufgehoben und erzogen, weshalber ihr denn hernach die Scheidewege gewidmet waren. Theocrit. Idyll. II. v. 36. Ohne dieses war sie auch die Vorsteherinn der Thüren, Aeschyl. ap. Nat. Com. l. III. c. 15. desgleichen der Hexerey und Zauberey. Id. ib. v. 12.

4 §. Verehrung. Ihr pflegten insonderheit Hunde geopfert zu werden. Sophron ap. Theocr. Idyl. II. 12. Vor andern verehreten sie die in der Insel Aegina, welche ihr jährlich ihre Orgia hielten. Pausan. Corinth. c. 30. p. 140. So opferten ihr auch alle Neumonden die reichen Athenienser, und setzeten allerhand Essen auf die Scheidewege, welche der Hekate Mahl genannt und des Nachts von armen Leuten verzehret wurden. Aristophan. Plut. 594. Vornehmlich verehreten sie die Hexen und Zauberer. Euripid. Helen. 575. Theocrit. Id. II. v. 12. Bey ihrem Dienste wurden insonderheit die Fackeln gebraucht: Potter. ad Lycophr. v. 1179. Es pflegten auch gewisse Gruben gegraben zu werden, auf welche sodann ein Holzhaufen gesetzet, und ein ganz schwarzes Lamm darauf verbrannt wurde, wobey denn die Opfernden von solchen weggehen, und sich durchaus nicht umsehen durften, sie mochten hören, was sie wollten; indem sich denn allerhand. Gespenster bey dergleichen Opfer spüren ließen. Apollon. ap. Nat. Com. l. c. Diese verschwanden aber wieder, wenn die Hunde anfiengen, zu bellen, daher sie denn eben solcher Göttinn, als ihre Feinde, geopfert wurden. Tzetz. ad Lycophr. 1179.

5 §. Gestalt. Man dichtete, sie sey auf ein halbes Stadium lang gewesen, habe Schlangenfüße, und an statt der Haare nichts, als Ottern und Schlangen, gehabt, die ein fürchterliches Gezisch machten, und sich theils um den Hals herum schlungen, theils ihr auf den Schultern hinab hiengen. Lucian Philopseud. p. 342. T. II. Opp. Nat. Com. l. III. c. 15. Sie wurde aber bald mit einem, bald mit dreyen Gesichtern oder Köpfen gebildet. Pausan. Corinth. c. 30. p. 140. Von diesen war der linke ein Pferdekopf, der rechte ein Hundskopf, und der mittlere eines wilden Schweines Kopf. Orpheus Argon. v. 975. Cf. Chartar. Imag. 15. Jedoch wird sie nicht allezeit so scheußlich abgebildet, sondern hat vielfältig nur drey Gesichter der jungfräulichen Diana. Virg. Aen. VI. 511. So sieht man sie auf einigen geschnittenen Steinen mit dem Calathus auf dem Kopfe und mit sechs Armen, wovon ein jeder etwasals Fackeln, Dolche, Schlüssel und dergleichen in Händen hat. Zuweilen führet sie in allen sechsen nur Fackeln, hat auch wohl ein Paar Hunde und andere Zeichen bey sich; und man wird auch vier Füße an ihr gewahr, in einer Stellung, welche anzeiget, daß sie deren sechs hat. Lipperts Dactyl. I Taus 224 N. und 98 S. Auf einem andern, wo sie mit dem Glücke vergesellschaftet ist, hatsie auf jedem Kopfe einen Calathus und nur zwoen Arme mit Facken in den Händen. Caus. gem. ant. t. 92. Man findet sie auch auf einem mit dem Osiris und der Isis gepaaret, wo sie drey abgesonderte Köpfe mit Bluhmen oder Blättern darauf, zween Arme mit dergleichen in Händen und drey Füße hat, sonst aber unbekleidet ist. Gori gem. ant. mus. Flor. tab. LVIII. n. 2. Auf einem andern sehr schönen Denkmaale sind drey Figuren nur am Rücken zusammen gefüget, sonst aber unterschieden. Die eine hat einen halben Mond auf dem Kopfe und über dessen Hörner Bluhmen, dabey hat sie in jeder Hand eine Fackel. Die zweyte trägt eine phrygische Mütze, aus deren Rande Stralen ausbrechen und gleichsam eine Krone ausmachen. In der einen Hand hält sie einen Degen und in der andern eine Schlange. Die drite ist mit Lorbeern bekränzet und führet in der rechten Hand einen Schlüssel, in der linken aber Stricke. Montfauc. ant. expl. T. l. XC. Pl. p. 152. Sie hatte auch dann und wann einen Kranz von Eichenlaube auf dem Kopfe, einen Spieß in der Hand, Masen. Spec. ver. occult. c. 24. n. 8. und ihre Kleidung war bald weiß, bald schwarz. Id. ib. n. 7.

6 §. Wahre Historie. Sie war des Perses, Königs in Taurika, Tochter, eine kühne und grausame Prinzessinn, welche insonderheit ihre Luft am Jagen hatte, wenn sie aber kein Wild antraf, die Menschen dafür nieder schoß. Sie wußte dabey sehr wohl mit den giftigen Kräutern umzugehen, und erfand unter andern auch die Wolfwurz, mit welcher sie insonderheit die ankommen. den Fremden hinrichtete, indem sie ihnen dieselbe ins Essen thun ließ. Sie richtete auch endlich ihren Vater selbst hin, und bemächtigte sich also der Herrschaft, bauete der Diana einen Tempel auf, und opferte ihr alle Fremden, die sie ertappen konnte. Als sie nachher den Acetes geheurathet, so zeugete sie mit ihm die Circe, Medea und den Aegialus, von welchen denn die beyden Töchter ihr in der Zauberey fleißigst folgeten. Diod. Sic. l. IV. c. 46. p. 173. Cf. Voss. Theol. gentil. l. II. 29.

7 §. Anderweitige Deutung. Sie wird insgemein für den Mond gehalten Voss. Theol. gent. l. II. c. 29. Am Himmel soll sie Luna, auf der Erde Diana, und in der Hölle Hekate, oder Proserpina heißen. Serv. ad Virgil. Aen. IV. v. 511. Daher werden ihr drey Köpfe zugeleget, von denen sie bald Tergemina, bald Triformis, bald τρισσοκέφαλος, oder τρικέφαλος, u.s.f. genannt wird, entweder weil der Mond insonderheit in dreyerley Gestalt erscheint, nämlich als zunehmend, voll und abnehmend, oder weil er insonderheit dreyerley Gewalt über den Menschen hat, nämlich als Luna bey dessen Geburt, als Diana bey dessen Leben, und als Hekate oder Proserpina beys dessen Tode. Taubmann. ad eumd. l. c. So bedeutete ihre weiße Kleidung den zunehmenden Mond, ihre schwarze aber den abnehmenden, und der Kranz vons Eichenlaube sammt dem Spieße, daß sie die Beschützerinn wider die Zauberey sey, als in welcher Betrachtung sie auch vor die Thüren der Häuser pflegte gestellet zu werden. Masen. Spec. Ver. occult. c. XXIV. n. 7. 8.


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