- Phyllis
PHYLLIS, ĭdis, eines Königes in Thracien, Sithons Tochter, und vieleicht selbst Königinn allda, nahm den Demophoon liebreich auf, als er von Troja zurück gieng, und an ihren Hof kam. Er versprach ihr auch, sie zu heurathen, jedoch wollte er erst nach Athen gehen, seine Angelegenheiten daselbst in Ordnung zu bringen. Er bestimmete ihr eine gewisse Zeit zu seiner Zurückkunft, etwan vier Monate, wie man muthmaßen kann. Ovid. Heroid. II. 3. & Burman. ad h. l. Wie er aber den gesetzten Tag nicht wieder kam, und sie daher vermeynte, er habe sie gar verlassen, so ergriff sie einen Strick und erhieng sich, wurde aber in einen Mandelbaum ohne Blätter verwandelt. Indessen kam Demophoon doch zurück, und da er sah, was vorgegangen war, so umfassete er den Stamm des Baumes, der so viel Empfindung davon hatte, daß er sofort Blätter austrieb, welche daher Phylla genannt wurden, da sie zuvor Petala hießen. Serv. ad Virg. Ecl. V. v. 10. Nach einigen lebeten ihre Aeltern noch, als solches vorgieng, und sie lief den Tag, an welchem sie ihn erwartete, neunmal an das Ufer, um zu sehen, ob er käme. Dieser Ort wurde daher zum Andenken Neunwege, Ἐννέοδος, oder Ἐννέα ὅδοι genannt, welches der erste Namen der Stadt Amphipolis war. Ovid. Art. am. l. III. 37. & Micyll. & Heins. ad h. l. Doch alle ihre Bemühung war vergebens, und sie betrübete sich über sein Ausbleiben dergestalt, daß sie vor Bekümmerniß starb. Ihre Aeltern ließen ihr ein Grabmaal errichten, bey dem etliche Bäume hervor wuchsen, die solche Phyllis jährlich damit betraureten, daß sie ihre Blätter zu gewisser Zeit verdorren und fallen ließen. Hygin. Fab. 59. Sonst soll ihr Vater, nach andern, Lykurgus, die Mutter aber Krustumena geheissen haben. Auctor argumenti Epist. Ovid. Heroid. II. Ihr Begräbniß soll schon auf dem pangeischen Vorgebirge zu sehen gewesen seyn, als Paris nach Griechenland gegangen, die Helena daselbst zu rauben. Coluthi rapt. Helen. v. 208. Dieses läßt sich aber mit obigem nicht wohl vergleichen. Jedoch könnte diese Begebenheit auch vor dem trojanischen Kriege geschehen seyn, weil doch Homer des Demophoons unter den griechischen Helden nicht mit erwähnet, und Troja im ersten Jahre seiner Regierung soll seyn erobert worden. Cf. Meziriac comment. sur les epitr. d'Ovide. T. I. p. 125. & 201. Außerdem wird auch dieser ganze Liebeshandel seinem Bruder Akamas mit etwas veränderten Umständen von einigen zugeschrieben. Er kam nämlich mit einigen Schiffen zu den bisaltischen Thraciern, wo ihm der Phyllis Vater sie zur Gemahlinn und sein Königreich zur Mitgift versprach. Akamas aber, der erst in sein Land gehen wollte, schwur, in Kurzem wieder zu kommen. Phyllis begleitete ihn bis an den Ort Enneaodi, und gab ihm ein Kästchen, welches der Mutter der Götter, Rhea, wie sie sagete, geheiliget wäre. Sie rieth ihm dabey, solches nicht eher aufzumachen, als bis er die Hoffnung verloren hätte, wieder zu ihr zu kommen. Als Akamas nach Cypern kam, so entschloß er sich auf einmal, da zu bleiben. Hierüber stieß Phyllis viele Verwünschungen wider ihn aus und nahm sich selbst das Leben. Akamas öffnete nunmehr das Kästchen, und wurde durch allerhand seltsame Gesichter und Erscheinungen erschrecket. Da er sich nun eines Tages zu Pferde setzete und solches unvorsichtiger Weise antrieb, so bäumete es sich und warf ihn herunter; da er denn in sein Schwert fiel und starb. Tzetz. ad Lycophr. 495.
http://www.zeno.org/Hederich-1770.