- Amphitríte
AMPHITRÍTE, es, Gr. Ἀμφιτρίτη, ης, (⇒ Tab. III. & ⇒ XI.)
1 §. Namen. Diese Meergöttinn hat, nach einigen, den Namen von ἀμφὶ, um, und τρίβειν, reiben, weil sie mit ihren Fluthen das Land umher reibt; Voss. Theol. Gent. lib. II. c. 78. nach andern aber von ἀμφιτρεῖν, umher erschrecken, weil das Meer die Schiffenden auf allen Seiten schrecke; Gyrald. Synt. V. p. 167. nach noch andern von ἀμφοτέροθεν τρίτην τάξιν ἔχειν, weil das Meer überall die dritte Stelle habe, indem von oben her erst æther, und so dann aër, von unten her aber erst erebus, und so dann terra komme. Schol. Oppiani ap. eumd. l. c. Noch andere leiten ihn bloß von ἀμφί, um, her, weil das Wasser doch in allen dreyen Elementen eingeschlossen sey, d.i. im Himmel, in der Luft, als in den Wolken und in der Erde, wie die Quellen und Brunnen; Fulgent. Mythol. lib. I. cap. 3. und endlich wollen ihn auch einige von ἀμφὶ, und Triton, welches das Geräusch des Meeres bedeuten soll, herleiten: jedoch ist die erste Ableitung leicht die beste, oder wenigstens die gemeineste.
2 §. Aeltern. Ihr Vater war Oceanus, und die Mutter Tethys. Apollod. lib. I. c. 2. §. 2. Jedoch, da sie andere auch zu einer Schwester der Tethys, oder vielmehr zur Tethys selbst machen: Muncker. ad Hygin. Præf. p. 9. so müßte sie diesem nach eine Toch ter des Cölus und der Erde seyn. Apollod. lib. I. c. 1. §. 3. Es machen aber auch einige sie zu einer Tochter des Nereus und der Doris, und also zu einer von den bekannten 50 Meernymphen. Caudian. Epithal. Honor. & Mar. v. 175. Ueberhaupt zeigen die Mythologen wenig an, wer eigentlich deren Aeltern gewesen.
3 §. Vermählung. Sie war gesonnen, in steter Jungfrauschaft zu bleiben. Da aber Neptun seine Neigung auf sie warf, und ihr daher mit seinem Antrage sehr zusetzete, so flüchtete sie sich endlich zu dem Atlas, und hielt sich daselbst dergestalt verborgen, daß Neptun nichts von ihr erfahren konnte. Er schickete indessen in alle Weltgegenden Bothen nach ihr ab, und unter solchen auch einen Delphin, welcher denn insonderheit die atlantischen Inseln durchstrich, und sie endlich ausspürete. Es wußte auch solcher ihr dermaßen zuzureden, daß sie endlich in die Vermählung mit dem Neptun willigte, der sie denn daher zur vornehmsten Göttinn des Meeres machete, den Delphin aber zur Erkenntlichkeit unter die Sterne versetzete, woselbst er noch bis jetzo unter den mittäglichen Gestirnen zu sehen ist. Eratosth. Catasterism. c. 31. In dieser Ehe mit dem Neptun soll sie denn viele Kinder gezeuget haben, worunter Triton, Hygin. Præf. p. 9. Coluth. ap. Tzetz. ad Lycophr. v. 34. und Rhode wohl die bekanntesten sind. Apollod. lib. I. c. 4. §. 5. Sie war aber dabey auch ziemlich eifersüchtig; und, da Neptun nebst ihr noch die Scylla lieben wollte, so vergiftete sie das Wasser, wo sich dieselbe zu baden pflegete, und machete also, daß solche, da sie in dasselbige stieg, in ein häßliches Ungeheuer verwandelt wurde. Myro Prianeus ap. Nat. Cam. lib. VIII. cap. 12.
4 §. Bildung. Insgemein wird sie als ein ansehnliches Frauenzimmer gebildet, welches neben dem Neptun in dessen Wagen steht, die Haare gar artig eingeflochten hat, doch aber sonst ohne alle Kleider ist. Pausan. Corinth. c. 1. Chartar. Imag. Deor. tab. 36. Auf einigen geschnittenen Steinen der Alten kömmt sie auch bekleidet vor, und zwar mit einem so seinen Gewande, daß man die Gliedmaßen dadurch deutlich sehen kann. Insgemein aber ist nur der Untertheil des Leibes bekleidet. Auf einem sehr schönen derselben sitzt sie auf Neptuns beyden Pferden, und hat einen Delphin unter sich, vor ihr her aber schwimmt ein Amor. Ueber ihrem Haupte flattert ein Schleyer. Lipperts Dactyliothec. I Taus. n. 69. Dieser fliegende Schleyer ist gemeiniglich das Kennzeichen, woran sie von andern Meergöttinnen zu unterscheiden ist, welches sonst schwer fällt. Zuweilen sitzt sie nur auf einem Meerpferde, oder auch auf einem Delphine, Bellorii pictur. veter. t. 17. & 18. oder steht auf einem Muschelwagen, welcher von dergleichen gezogen wird. In diesen Abbildungen wird sie oft Venus Amphitrite genannt, und mit der Venus aus dem Meere verwechselt. Auf den Münzen soll sie oft, wie eine Sirene abgebildet werden und bis an die Weichen wie eine Frauensperson gestalt seyn, anstatt der Beine aber einen oder zween Fischschwänze haben. Spanhem. de us. & præst. numis. T. I. p. 253. Auf den korinthischen Münzen bildet man sie oft vor dem Neptun stehend ab, da sie ihm ein Kind darbeut.
5 §. Eigentliches Wesen. An sich scheint sie zwar nichts anders, als das Meer selbst, zu seyn: Euripides ap. Nat. Com. lib. II. c. 8. Ovid. Metam. l. I. v. 14. jedoch ist es auch nicht so gar unglaublich, daß sie eine Prinzeßinn aus dem Geschlechte der Titanen gewesen, welche einige der atlantischen Insel besessen, und vom Neptun zur Gemahlinn verlanget worden, wozu sie aber keine Luft gehabt, jedoch sich endlich noch durch Unterhandlung eines Gesandten des Neptuns, der unter dem bemeldeten Delphin bemerket wird, mit solchem Prinzen vermählet habe. Banier Entret. X. ou. P. I. p. 290. Erläut. der Götterl. 3 Band 524 S.
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