Neptvnvs

Neptvnvs

NEPTVNVS, i, Gr. Ποσειδάων, ωνος, ( Tab. IX. & XI.)

1 §. Namen. Den lateinischen hat er nach einigen von nubo, ich bedecke, weil er den größten Theil der Erde mit dem Wasser bedecket; Varro de L. L. IV. c. 10. nach andern von nando, schwimmen. Cic. de N.D. l. II. c. 26. p. 1183. a. wofür doch aber einige lieber nubendo lesen wollen. Lips. ap. Voss. Etymol. in Nuptæ p. 404. Nach den dritten kommt er von νίπτειν, waschen, weil das Wasser insonderheit zum Abwaschen der Unreinigkeit dienet. Iul. Cæs. Scalig ap. eumd. l. c. Einige haben ihn auch von dem ägyptischen Nephthys herleiten wollen, weil solches den äußersten Theil des Landes bedeutet, woran die See spielet. Bocharti Phaleg. l. I. c. 2. p. 9. 10. Den griechischen Namen aber hat er nach einigen von πόσις, Trank, und δοῦναι, geben, weil er das Wasser zum Trinken giebt. Plato ap. Voss. Theol. gent. l. II. c. 77. & Phurnut. de N.D. c. 4. Nach andern heißt er von dem phönicischen Posedon; so viel, als ein Zerbrecher der Schiffe. Ceric. ad Hes. Theog. v. 456. Die dritten leiten ihn von ποιέω, ich mache, und εἴδη, Gestalt, her, weil man unter den Elementen sich allein im Wasser besehen könne. Fulgent. Mythol. l. I. c. 3. Die vierten von ποῦς, Fuß, σάω, ich bewege, und δῆ für γῆ, Erde, weil er die Erde mit Füßen stößt. Ap. Gyrald. Synt. V. p. 158. Die fünften von ποῦς, Fuß, und δεσμὸς, Band, weil er den Füßen ein Band anleget, daß sie nicht weiter gehen können; Socrates ap. eumd. l. c. anderer eben so weit gesuchter Ableitungen zu geschweigen.

2 §. Aeltern und Auferziehung. Sein Vater war Saturnus, und seine Mutter Rhea oder Ops. Hesiod. Theog. v. 453. Weil aber sein Vater alle seine Kinder nach ihrer Geburt sogleich wieder zu fressen pflegte, so verschlang er auch solchen Neptun: Apollod. l. I. c. 1. §. 3. er spye ihn aber hernach auch wieder mit aus, als ihm Metis, Jupiters Gemahlinn, eine besondere Arzney beygebracht hatte. Id. ib. c. 3. §. 1. Andere wollen, Rhea habe ein junges Füllen genommen, und es ihm gezeiget, mit dem Vorgeben, sie habe solches geboren, welches er sodann an Neptuns Statt verschlungen, da sie indessen den Neptun selbst im Schafstalle versteckt gehalten. Paus. Arcad. c. 8. p. 466. Sie gab ihn hernach der Arno zur Erziehung. Tzetz. ad Lycoph. 644. Sieh Arno. Einige geben vor, es habe ihn Saturnus weder verschlungen, noch auch zu verschlingen gesucht, sondern nach seiner Geburt unter das Wasser im Meere versteckt. Hygin. Fab. 130. Man machet ihn auch zu einem Libyer von Geburt. Herodot. Euterpe. II. c. 50.

3 §. Wesen. Er war der Gott aller Wasser, zuförderst aber des Meeres. Albric. de Imag. Deor. c. 16. Er erhielt darüber die Herrschaft, da er sich mit dem Jupiter und Pluto, als seinen Brüdern, durchs Loos in die Welt theilete. Apollod. l. I. c. 2. §. 1. & Orpheus Hymn. XVI. v. 7. Cf. Dempster. ad Rosin. l. II. c. 13. Andere wollen, es sey ihm solche Herrschaft bereits vom Saturn gegeben worden, und man habe daher geglaubet, daß alles, was auf dem Meere vorgehe, in dessen Gewalt stehe. Diod. Sic. l. V. c. 69. p. 233.

4 §. Thaten. Als Jupiter mit den Titanen seinen Krieg hatte, so stund er ihm getreulich bey, nachdem ihn die Cyklopen mit einem dreyspitzigen Zepter beschenket hatten, den er statt des Gewehrs wider seine Feinde brauchete. Apollod. l. I. c. 2. §. 1. Er verhinderte dieselben, nachdem sie in den Tartarus geworfen worden, durch die vorgelegten eisernen Pforten, aus demselben wieder zu entkommen. Hesiod. Theog. v. 732. 733. Als hernach aber die andern Götter sich wider den Jupiter auflehneten, so befand er sich mit unter ihnen, und war insonderheit derjenige, welcher unternahm, den Jupiter selbst zu binden, wofür ihn hernach dieser, bey erhaltener Oberhand, dahin verurtheilete, daß er dem Laomedon, Könige zu Troja, eine Zeitlang dienen mußte. Tzetz. ad Lycophr. v. 34. Er half daher, nebst dem Apollo, der gleiches Schicksal mit ihm hatte, solchem die Mauern um Troja bauen, wofür sie sich beyde ihren gewissen Lohn von demselben ausdungen. Allein, sobald die Mauern fertig waren, wollte Laomedon nichts davon wissen, und sie mußten beyde leer abziehen. Neptun rächete sich dafür dadurch, daß er nicht allein das Meer einen großen Theil der Länder des Laomedons überschwemmen ließ, sondern auch in dieselben ein ungeheueres Seewunder schickete, welchem man allezeit eine Jungfrau zu verschlingen geben mußte. Hygin. Fab. 89. & Apollod. l. II. c. 5. §. 9. Sieh Laomedon und Hesione. Mit eben dergleichen Seethiere und Ueberschwemmung des Landes bestrafete er hernach auch den Cepheus, König in Aethiopien. Id. ib. c. 4. §. 3. Dagegen brachte er den obersten Theil von der Insel Otygia, die er unter Wasser gesetzet hatte, damit man die darauf geflüchtete Latona nicht entdecken möchte, wiederum hervor, welcher davon Delus gegenannt wurde und ihr zur Niederkunft dienete. Hygin. Fab. 140. Als er sich mit der Minerva um die Stadt Athen zankete, und derjenige sie haben sollte, welcher das Nützlichste hervor brächte, so schlug er mit seinem Drepzacke auf die Erde, und drachte einen schönen Brunnen hervor, oder wie andere sagen, ein zum Kriege geschicktes Roß. Serv. ad Virg. Georg. I. v. 12. Dagegen schaffete Minerva einen Oelbaum. Weil sie nun, nach dem Urtheile der zwölf einwilligenden Götter, den Vorzug behielt, so überschwemmete er zur Rache ganz Attika mit dem Meer. Apollod. l. III. c. 13. §. 1. In dem Kriege mit den Riesen verfolgete er insonderheit den Polybotes, als solcher durch das Meer ausreißen wollte, und warf endlich ein Stück von der Insel Kos auf ihn. Id. l. I. c. 6. §. 2. Als Inachus der Juno Argolien zusprach, so machte er, daß alle Brunnen in selbigem vertrockneten; Id. l. II. c. 1. §. 4. und, da Minos ihm den versprochenen Ochsen nicht opferte, den er ihm doch selbst aus dem Meere hervor kommen lassen, so machte er, daß dessen Gemahlinn, Pasiphae, sich in denselben verlieben mußte. Id. l. III. c. 1. §. 4. Dem Peleus schenkete er zum Hochzeit geschenke zwey besondere Pferde, Xanthus und Balius, Id. ib. c. 12. §. 5. verklagete den Mars in dem Areopagus, als solcher dessen Sohn, Halirrhothius, hingerichtet hatte. Id. ib. c. 13. §. 2. Er verwandelte den Periklymenus in einen Adler, Hygin. Fab. 10. und die Cänis in ein Mannsvolk. Id. Fab. 14. Hiernächst brachte er zuerst die Pferde hervor, Virgil Georg. l. I. v. 12. oder zeigete doch, wie dieselben zu zähmen und zu reuten wären. Diod. Sic. l. V. c. 69. p. 233. Als Minerva, Vulcan und er mit einander in Streit geriethen, wer das künstlichste Meisterstück hervor bringen könnte, so machte er einen Ochsen, wie Vulcan einen Menschen, und Minerva ein Haus, woran aber Momus viel auszusetzen fand. Sieh Momus. Den Delphin, welcher ihm die Amphitrite auskundschaftete, versetzete er an den Himmel unter die Gestirne; Eratosth. Cataster. 31. und als Theseus ihn um Rache gegen seinen Sohn, den Hippolytus, anrief, ließ er einen schrecklichen Ochsen aus dem Meere hervor springen, durch welchen des Hippolytus Pferde scheu gemacht, und er von solchen elendiglich geschleifet und zerrissen wurde. Ovid. Met. XV. v. 497.

5 §. Gemahlinn. Buhlschaften und Kinder. Er suchte zwar erst die Thetis zur Gemahlinn zu bekommen: weil er aber von dem Orakel der Erde vernahm, daß der Sohn, der von ihr würde geboren werden, noch vortrefflicher und stärker, als sein Vater selbst, werden würde, so ließ er dieselbe fahren. Hierauf machte er sich an die Amphitrite, die anfangs keine Luft zu ihm hatte, und daher sich vor ihm versteckete. Sie wurde aber von dem Delphine wieder aufgesucht und zu der Heurath mit ihm beredet. Eratosth. Cataster. 31. Hygin. Astron. Poët. l. II. c. 17. Einige geben für dessen Gemahlinn auch die Venilia, Nat. Com. l. II. c. 8. und noch andere die Salacia an. Augustin. de C. D. l. IV. c. 10. Es sind aber alle drey Personen an sich einerley. Indessen hatte er doch mit keiner derselben einige Kinder, außer mit der Amphitrite, mit welcher er, nach einigen, den Triton und die Rhode, nach andern aber auch die Cyklopen, Brontes, Steropes und Pyrakmon zeugete. Boccacc. l. X. c. 16. Dagegen hatte er mit seinen andern Buhlschaften desto mehr Kinder. Man giebt ihm mit der Iphimede den Ephialtes, Apollod. l. I. c. 7. §. 2. b. mit der Tyro den Pelius und Neleus, Id. ib. c. 9. §. 8. mit der Hippothoe den Taphius, Id. l. II. c. 4. §. 4. mit der Celäno den Lykus und mit der Alcyone die Aethusa, den Hyrikus und Hiperenor, Id. l. III. c. 10. §. 1. mit der Arene den Idas, Id. ib. §. 3. mit der Chione den Eumolpus, Id. ib. c. 14. §. 2. mit der Ceres den Arion, mit der Antiopa den Böotus und Hellenes, mit der Eurynome den Bellerophon, mit der Themisto die Leukonoe, mit der Arethusa den Abas, mit der Agamede den Diktys, mit der Pitana die Evadne, mit der Oenope den Megareus, mit der Kalyce den Cygnus, mit der Astypaläa den Eurypylus und Antäus, mit der Amymone den Nauplius, Hygin. Fab. 157. & ad eum Muncker. l. c. mit der Libya den Belus und Agenor, Schol. Eurip. ap. Muncker. l. c. mit der Molione den Aktor, Schol. Homer. ib. mit der Europa, des Tityus Tochter, den Euphemus, Schol. Pind. ib. mit der Melie den Amykus, Heins. ib. mit der Alope den Hippothous, mit der Ceklusa den Asopus, mit der Brylle den Orion, mit der Chrysigone den Minyas, mit der Melantho den Delphus, mit der Venus den Eryx, mit der Alistra den Ogyges, mit der Scamandrodice den andern Cygnus, mit der Midea den Aspledon, mit der Kleodora den Parnassus, Nat. Com. l. II. c. 8. mit der Medusa den Chrysaor und Pegasus, Hygin. Præf. p. 16. mit der Thoosa den Phorkus, Boccacc. l. X. c. 6. mit der Thoosa, des Phorkus Tochter, den Polyphemus, Id. ib. c. 14. mit der Periböa den Nausithous, Id. ib. c. 17. mit der Terra die Harpyien, Celäno, Stello und Ocypete. Id. ib. c. 60. mit der Klitone, der einzigen Tochter des Evenors undder Leucippe, auf der atlantischen Insel, zu fünf malen männliche Zwillinge, nämlich den Atlas und Gadirus, den man im Griechischen Eumelus nennet; den Ampheres und Eudämon; den Mneseus und Avtochthon; den Elasippus und Mestor, und endlich den Azaes und Diaprepes. Plato in Critia, p. 1103. Er verwandelte sich bey diesen Liebeshändeln, so wie Jupiter, vielmals; und einige dieser Verwandlungen brachte Arachne mit in ihr Gewebe, da sie mit der Minerva um den Vorzug stritt. Ovid. Metam. VII. 115. sqq. Außer diesen nennet man noch als dessen Söhne den Aon, Dorus, Althepus, Erginus, Busiris, die Tritonen, den Kteatus und Eurytus, Euphemus, Albion, Amphimanus, Alebius, Dercylus, oder besser Dercynus nnd Alebion, die dem Herkules Geryons Rinder entführeten. Apollod. l. II. c. 4. §. 10. den Asträus, Melas, Aktorion, Borgion, Cercyon, Krokon, Kromus, Cenchreus, Chius, Lelex, Lamia, Halirrhothius, Lästrygon, Megareus, Messapus, Nycteus, Melion, Pelasgus, Orchestus, Phäax, Siculus, Sicanius, Taras und andere, Nat. Com. l. c. & Boccacc. l. X. per integr. welche Tab. Geneal. XI. zu sehen stehen. Ueberhaupt werden alle große und ungeschlachte Leute für dessen Söhne angegeben, Gell. N. A. l. XV. c. 21. & Phurnut. de N.D. c. 22. wie nicht weniger alle die, welche zu Wasser in ein Land kamen, in welchem sie zuvor nicht bekannt waren, Serv. ad Virgil. Aen. VII. v. 691. oder die auch in dem Meere umkamen. Voss. Theol. gent. l. I. c. 16.

6 §. Beynamen. Nach diesen hieß er unter andern:


Aegéus, Asphaliæus, Basileûs,

Canobus, Consus, Erechthreûs,

Elymnius, Equestris, Gæächusv,

Genesius, Heliconius, Hippius,

Isthmius, Nisyreûs, Onchestius,

Petræus, Phitalmius, Prosclystius,

Samius, Tænarius, Themeliuchus,


welche um einer und der andern Nachricht mehr nachzusehen stehen.

7 §. Bildung. Er wurde als eine Mannsperson mit blaulichten. Haaren gebildet, Phurunt. de N.D. c. 22. wiewohl ihm auch schwarze zugeschrieben werden. Nonni Dionys. l. XLII. 19. Diese waren ihm, wie dem Jupiler, mit einem schmalen Bande um den Kopf fest gebunden, und er nicht, wie einige wollen, mit Schilfrohre bekränzet. Vinkelm. monumen. ant. p. 47. P. I. Dabey war er mit einem großen krausen Barte, Voss. Theol. gent. l. VIII. c. 18. und himmelblauen Augen versehen, Cic. de N.D. l. I. c. 30. p. 1173. und machte bald ein gar gelassenes, bald aber ein stürmisches Gesicht; Swertius in Pantheo p. 45. Sonst war er am Leibe bald nackend, Albric. de Imag. Deor. c. 16. bald mit einem schwärzlichen Kleide bekleidet. Phurnut. l. c. In der Hand hielt er eine dreyzackichte Gabel, Orph. Hymn. XVI. v. 2. stund auf einer Muschel, statt eines Wagens, den zwey Meerpferde zogen, die von vorn die Gestalt ordentlicher Pferde, von hinten aber die Gestalt der Fische hatten: jedoch hatten die vordern Füße zuweilen auch keine Hufe, sondern an deren Stelle Floßfedern. Stat. Theb. II. 47. Ej. Achill. I. 60. Bey dem ältesten Dichter waren es ordentliche Pferde mit ehernen Füßen und goldenen Mähnen. Hom. Il. N. 24. Sie hießen nach einigen, Erioles und Glaukus, nach andern aber, Enceladus und Sthenon. Favorin. ap. Swert. l. c. Indessen spannen auch einige vier Pferde vor dessen Wagen. Orpheus l. c. v. 5. Mit solchen vier Pferden sieht man ihn noch auf einer alten Musivarbeit zu Rom. Montfauc. suppl. aux Ant. expl. T. I. pl. 27. Diese kauen die beschäumten Zäume, und er läßt ihnen die Zügel schießen, wenn er mit seinem blaulichten Wagen über die Oberfläche des Meeres leicht dahin fliegt. Die Gewässer sinken nieder und die aufgeschwollenen Fluthen werden unter der donnernden Achse niedergedrückt. Stürme und Wetter fliehen in dem weiten Luftraume. Ihn begleiten verschiedene Gestalten, ungeheure Wallfische, das alte Chor des Glaukus, Palämon, die geschwinden Tritonen und das ganze Heer des Phorkus. Zu seiner Linken sind die Nereiden u.d.g. Virgil. Aen. V. v. 822. Auf einigen Münzen und Gemmen steht er ohne Muschel oder Wagen bloß hinten auf den beyden Seerossen. Reger. Thes. Brand. T. II. p. 553. & Ej. Spicileg. p. 46. Man bildet ihn auch, wie er auf einem Wallfische sitzt, Kipping. l. I. c. 7. §. 3. oder aufrechts steht, in der rechten Hand einen Delphin trägt, mit der linken sich aber auf seinen Dreyzack stemmet, ganz nackend ist, außer daß er auf dem Rücken etwas Gewand hat. Nummus Agrippæ ap. Al. Donatum de Urbe Roma l. III. c. 17. Beger. l. c. p. 595. So zeiget er sich auch auf einer julischen Münze des Kaisers Antonin, wo er seinen rechten Fuß zugleich auf einen Schiffschnabel setzet. Frœl. tentam. p. 198. Auf einem geschnittenen Steine steht noch die Siegesgöttinn hinter ihm, welche ihm einen Kranz aufsetzen will, wodurch man einen zur See erfochtenen Sieg hat andeuten wollen. Maffei gem. ant. P. II. t. 32. p. 72. Ueberhaupt hat man unter den vielen noch vorhandenen alten Denkmälern, sowohl auf Gemmen als in andern Kunstwerken und auf Münzen, welche die vorher angezeigten Bildungen bestätigen, verschiedene, die eine allegorische Deutung leiden. Wenn er also am Rande eines stillen Meeres sitzt, auf dem ein Paar Delphine schwimmen, und neben ihm das Vordertheil eines mit Getraide oder Perlen beladenen Schiffes steht, so soll solches den Ueberfluß einer glücklichen Schifffahrt anzeigen. Maffei l. c. t. 33. p. 73. Dergleichen ist es auch vermuthlich, wo er auf den Meeresfluthen frey sitzt und seinen Dreyzack darinnen vor sich stecken hat, ein Vogel mit einem Drachenkopfe und Fledermausflügeln aber von der See gegen ihn hinauf zu schießen scheint, und er seinen Kopf von demselben hinweg wendet. Montfauc. Diar. Ital. c. VIII. p. 111. Auf einem Gelübde des Lucius Mumius steht er mit einem Fuße auf der Erde, mit dem andern aber auf einem neben ihm liegenden Meerwunder, in dessen Rachen er mit der rechten Hand einen dicken Pfahl gestoßen. In der linken hält er seinen Dreyzack, dessen Spitzen er auf des Seethieres Schwanze hält. Montfauc. Ant. expl. T. I. P. I. pl. 30. p. 66. Eines der schönsten alten Denkmäler aber ist, wo er auf einer halb erhabenen Arbeit vorgestellet wird, wie er ein schreyendes und sich die Haare ausraufendes junges Mägdchen in seiner von vier Seerossen gezogenen Muschel hinwegführet. Seinen Dreyzack hat er dem Liebesgotte überlassen, die Rosse damit anzutreiben, deren eines den Schwanz eines Delphins im Maule hat. An dem Ufer stehen zwey junge Mägdchen, die den Neptun anflehen, daß er ihnen doch ihre Gespielinn wieder geben möchte. Ib. pl. 33. p. 69. Mehrerer Vorstellungen zu geschweigen. Ibid. pl. 29–33. Lipperts Dacktyl. 1 Taus 56–66 N. Ordentlicher Weise ist er in denselben bärtig: gleichwohl will man ihn auf einer ägyptischen Münze des gothischen Kaisers Claudius auch ohne Bart erblicken, weil der Kaiser selbst keinen Bart trug. Montf. l. c. p. 67. Es könnte aber vieleicht wohl seyn, daß das Bild nur einen von Neptuns Söhnen vorstellen sollte, welche mit den Zeichen ihres Vaters auf Münzen so abgebildet werden, wie z.B. Taras auf den tarentinischen und Onchestus auf einigen böotischen. Beger. Thes. Brand. T. I. p. 322. & 472. Sonst soll er mit einer prächtig gewölbeten Erhobenheit der Brust gebildet werden; weil ihm diese besonders gewiedmet war. Winkelm. Gesch. der Kunst. 183 S. Daher findet man auch die Köpfe desselben auf den geschnittenen Steinen bis unter die Brust, welches bey andern nicht so gewöhnlich ist. Descr. des pier. grav. du Cabin. de Stosch. p. 102.

8 §. Verehrung. Diese soll von den Libyern, welche ihn zuerst verehret haben, auf die andern Völker gekommen seyn. Herodot. Euter. II. c. 50. Siewar weit ausgebreitet, und er hatte außer andern, insonderheit seinen berühmten Tempel auf der Landenge bey Korinth, Strabo l. VIII. p. 369. zu Nisyro, welcher achtzig Stadien im Umkreise hatte, Gyrald. Synt. V. p. 164. auf dem tänarischen Vorgebirge, Pausan. Lacon. c. 12. p. 182. zu Onchesto, Id. Bœot. c. 26. p. 580. bey Mantinea, in welchen kein Mannsvolk kommen durfte; und da sich dessen ehemals Aepytus unterstund, so wurde er erstlich blind, und kam hernach gar um. Id. Arcad. c. 5. p. 462. Zur Warnung war ein wollener Faden quer vor gezogen, den er zerschnitt, da ihm denn eine Meereswelle, welche in dem Tempel hervorsprudelte, in die Augen schlug. Ibid. c. 10. p. 471. Desgleichen hatte er auch einen sehr heiligen Tempel auf der Insel Kalauria, der zugleich eine Freystätte abgab. Strabo l. VIII. p. 373. Darinnen war eine Jungfrau so lange Priesterinn, bis sie das zum Heurathen tüchtige Alter erlanget hatte. Paus. Corinth. c. 33. p. 148. Diese Insel hatte er im Tausche gegen Delos vom Apollo erhalten, woselbst er vordem mit der Erde gemeinschaftlich, und zwar sie durch sich selbst, er aber vermittelst des Priesters Pyrkon, Orakel ertheilete. Id. Phoc. c. 5. p. 617. Auf der Insel Atlantis soll er ebenfalls einen überaus prächtigen Tempel gehabt haben, welcher ein Stadium lang, drey Morgen Acker breit und nach Verhältniß doch gewesen, woran alles von Golde und Silber geschimmert, die Decke damit und mit Elfenbeine ausgeleget, und der Boden, die Wände, und Säulen mit Messinge überzogen gewesen. In demselben befand sich sein Bildniß auf einem Wagen stehend, vor welchem geflügelte Pferde gespannet waren, deren Zügel er selbst lenkete und die mit ihren erhabenen Nacken an die Decke stießen. Um ihn her saßen hundert Nereiden auf Delphinen; und vor dem Tempel stunden goldene Bildsäulen aller Königinnen und der aus königlichem Geblüte entsprossenen Prinzen. Plato in Critia p. 1105. Diesen Neptun mit zweyen geflügelten Pferden vor seinem Wagen sieht man auch auf einer Gemme vorgestellet. Beger. Thes. Brand. T. I. p. 71. Besonders aber hatte er dergleichen auch zu Rom in der IX Region, wobey sich eine prächtige Gallerie mit dem Gemälde der Argonauten befand, welche Agrippa verfertigen lassen. Publ. Victor & ad eum Nardin. l. VI c. 9. p. 365. Sonst war ihm zu Athen allemal der achte Tag eines jeden Monats gewiedmet, Alex. ab Alex. l. III. c. 18. p. 766. und auf der Landenge wurden ihm die isthmischen Spiele zu Ehren gehalten. Plutarch. in Theseo c. 30. Er hatte daselbst auch eine ganz eherne Bildsäule sieben Ellen hoch, welche ihm von der persischen Beute des Xerxes war errichtet worden. Herodot. Calliop. IX. 80. Zu Rom feyerte man ihm den 28sten Julii die Neptunalia, Cal. Vet. ap. Gyrald. Tom. II. p. 837. cf. Struv. Synt. A. R. c. 9. p. 408. und noch ein anderes Fest den 1sten September, Id. ib. wie auch die Consualia den 18ten August, Gyrald. l. c. p. 839. & Struv. l. c. welche schon Romulus selbst einführete; allein, als solche das erste mal gefeyert wurden, auch die sabinischen Jungfern dabey rauben ließ. Livius l. I. c. 9. Von Thieren war ihm das Pferd gewiedmet, Serv. ad Virgil. Georg. I. v. 12. dergleichen ihm denn die Illyrier auf die Art opferten, daß sie es mit besondern Ceremonien im Meere ersäufeten. Id. ib. Doch soll man hier lieber Saturn für Neptun lesen. Voss. Theol. gent. l. IX. c. 18. So wurden ihm auch schwarze Stiere geopfert, Homer. Od. Γ. v. 6. cf. Phurnut. de N.D. c. 22. imgleichen die Enten, Delphine, Meerkälber oder Phocä, und die Pompili, eine Art Fische; wie ihm denn nicht weniger auch die Fichten heilig waren. Voss. l. c. Ferner waren ihm die Fundamente der Mauern gewiedmet, die er durch die Erdbeben, für deren Ursache er gehalten wurde, zu zerrütten pflegte, Virgil. Aen. II. v. 610. & ad eum Servius & Cerda l. c. und die, welche im Schiffbruche, oder dergleichen Wassersnoth, waren erhalten worden, hiengen ihm, zum Andenken desselben, besondere Täfelchen in dessen Tempeln auf. Struv. l. c. c. 5. p. 240. cf. Tomasin. de Donar. Vet. c. 25.

9 §. Eigentliche Historie. Viele halten ihn für niemand anders, als den Japhet, des Noah Sohn; und, da dessen Nachkommen, um in die ihnen angewiesenen Länder zu kommen, der Pferde und Schiffe benöthiget gewesen, so soll man den Neptun sowohl zum Vorsteher des Schiffwesens, als der Reuterey gemacht haben. Nach diesem Japhet, welcher insonderheit die Inseln des mittelländischen Meeres besessen, sollen denn hernachmals andere dergleichen Inselkönige Neptuni seyn genannt worden. Hingegen soll unter dem Neptun, welcher mit der Minerva um die Benennung der Stadt Athen gestritten, niemand anders, als der gemeine Pöbel, der meist aus Boots- oder Schiffvolke bestanden, verstanden werden, da hingegen die Minerva den Rath und edlern Theil der Bürgerschaft bemerken soll. Derjenige Neptun, welcher dem Laomedon die Mauern zu Troja bauen helfen, soll nichts mehr, als das Geld, gewesen seyn, welches besagter König darzu aus dem Tempel solches Gottes entlehnet, und zwar wieder zu geben versprochen, allein sein Wort hernach nicht gehalten. Voss. Theol. gent. l. I. c. 15. cf. Huet. D. E. Propos. IV. c. 10. §. 6. & Bochart. Phaleg l. II. c. 2. Andere, welche Jupiters und Plutons Bruder aus ihm machen, halten sie alle drey für besondere Fürsten, von denen er die Inseln im Meere, wie Jupiter die orientalischen Länder, Pluto aber die occidentalischen Länder besessen. Er soll dabey noch bey Saturns Lebzeiten dessen Admiral gewesen seyn. Seine Gemahlinn Amphitrites machet man zur Königinn einiger Inseln; und den Delphin, der sie zu der Heurath mit dem Neptun beredet, zu einem Gesandten, welchen Neptun an sie abgeschickt. Seine Verwandlungen in ein Pferd, in einen Stier, einen Widder, einen Delphin u.d.g. um gewisser Frauenspersonen habhaft zu werden, soll bloß anzeigen, daß er solche auf Schiffen entführet, welche besagte Thiere zu ihren Zeichen gehabt Banier. Entret. X. ou P. I. p. 287. Dess. Erl. der Götterl. III B. 519 ff S. Daß er die Titanen in dem Tartarus eingesperret gehalten, soll bloß sagen, daß er als Admiral und Herr von allen spanischen Häven die Pässe verschlossen, wodurch sie hätten entwischen können. Ban. a. angef. O. 63 S. Das von ihm hervorgebrachte Plerd soll auch nicht sowohl Scythius, als vielmehr Scyphius geheißen haben, welches denn ein Fahrzeug, ein Schiff, andeutet. Ebend. 518 S.

10 §. Anderweitige Deutung. Er soll die bewegende Kraft seyn, die sich durch die Erde und das Meer erstrecket, und beydes in seinem Zustande und in seiner Zusammenstimmung erhält. Max. Tyr. Diss. XXIX. p. 309. Bald ist er so viel, als das Meer, Virgil Aen. III. v. 74. bald bedeutet er nur die Kraft des Wassers und der Feuchtigkeiten, wobey denn seine Kleidung und Farbe die Farbe des Wassers, Phurnut. de N.D. e. 22. cf. Meurssius ad Lycophr. v. 392. sein Dreyzack aber seine dreyfache Gewalt über das Meer, nämlich solches zu erregen, zu stillen, und zu erhalten, oder auch seine Herrschaft über die drey Arten des Wassers, nämlich das süße in Brunnen und Flüssen, das gesalzene im Meere, und das halb-süße und halb-gesalzene in den Seen, bemerken soll. Nat. Com. l. II. c. 8. p. 169. Dergleichen weit gesuchte Dinge aus der Physik, wie auch aus der Moral, lassen sich noch vielmehr aus seiner Historie heraus klauben, wo sich jemand die Mühe damit nehmen will.


http://www.zeno.org/Hederich-1770.

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